Ringkampf: Roman (German Edition)
gedacht, daß es einfach nur ein ehrlicher Finder gewesen sein könnte, der den Ring hier vorbeigebracht hat?«
»Bitte«, schnappte die Sängerin mit eisiger Stimme. »Verkauf mich nicht auch noch für dumm. Ein ehrlicher Finder .« Sie lachte hart auf. »Der Ring ist nicht alles. Das hier war dabei.« Sie schleuderte den kleinen weißen Zettel auf den Tisch, den sie in ihrer rechten Faust verborgen hatte.
Alexander Raven griff nach dem zerknüllten Papier. Er runzelte verärgert die Stirn, als er die beiden maschinengetippten Zeilen las. »Was soll das«, fragte er.
Die Sängerin hatte ihre Augenbrauen zu schwarzen Balkenzusammengezogen. Die Blessuren in ihrem Gesicht leuchteten violett. »Ich glaube, es ist eher an mir, diese Frage zu stellen.«
»Himmelherrgott! Elisabeth«, brauste der Regisseur auf. »Ich kann dir nicht mehr sagen, als ich dir schon zehnmal gesagt habe: Ich weiß von nichts. Und ich habe mit dieser ganzen Angelegenheit nichts zu tun – außer daß ich es gewagt habe, hin und wiedermeinen wetzenden Ehering abzulegen.«
Elisabeth Raven-Winterfeld erhob sich und ging zur Spüle. Sie starrte in das glänzende Alubecken. »Alexander«, sagte sie, »laß uns doch endlich aufhören mit diesem unwürdigen Versteckspiel! Wir wissen beide ganz genau, wer der ehrliche Finder oder besser gesagt: die ehrliche Finderin ist.«
Der Regisseur schloß die Augen. »Elisabeth« drohte er, »fang – bitte – nicht wieder damit an! Die Sache zwischen Cora und mir ist Schnee von vorgestern. Sie ist meine Dramaturgin. Und nichts weiter. Deine Eifersucht ist dein Problem.«
Die Kaffeetasse in Elisabeths Hand zersprang. »Natürlich«, flüsterte sie, »alles hier ist mein Problem! Ich kann mir das Genick brechen! Ich muß mich verhöhnen lassen! Und du tust so, als wäre nichts geschehen! Denn es ist ja alles nurmein Problem!« Sie warf die Scherben in das Spülbecken. Bluttropfte hinterher.
Tief gekränkt schaute Alexander Raven seine Frau an. »Soll ich Cora aus der Produktion rauswerfen, nur damit du mir endlich glaubst, daß es zwischen uns aus ist?«
»Ja. Wirf sie raus.« Die Sängerin preßte den blutenden Handballen auf ein Küchenhandtuch.
Der Regisseur stand schroff auf. Der Stuhl stürzte um.
»Das ist völlig unmöglich«, sagte er. »Ich brauche sie. Jetzt, wo die Regiebücher verschwunden sind, mehr denn je. Oder willst du mir etwa dabei helfen, meine Inszenierung zusammenzuflicken?«
Elisabeth beugte sich über die Spüle. »Sie hat es ja geschickt genug eingefädelt, sich unentbehrlich zu machen«, sagte sie bitter. »Ich muß zugeben: Die Geschichte mit den Regiebüchern warihrbester Einfall.«
»Was soll das heißen!« Der Regisseur blieb an der Schwelle stehen.
In gequälter Zeitlupe drehte sich seine Frau zu ihm herum. »Alexander, selbst wenn du nicht wahrhaben willst, daß deine teure Cora mich terrorisiert, damit ich ihr das Feld räume — du kannst mir nicht erzählen, daß du an jenem Vormittag nichts gemerkt hast. Diese Frau hat die Bücher selbst verschwinden lassen. Niemand sonst. Und die süffisante Show, die sie dann auf der Probe abgezogen hat, diente nur einem einzigen Zweck: dir zu zeigen, daß du ihr ausgeliefert bist.«
Alexander Ravens Stimme verhärtete sich. »Das sind allesamt vollkommen haltlose, groteske Unterstellungen. Cora bedeutet die Inszenierung ebensoviel wie mir. Sie würde nichts unternehmen, was die Aufführung ein zweites Mal gefährden könnte.«
Es wurde still in der Küche. Das feine Sirren der Deckenlampe schwoll bedrohlich an. Die Fliege, die schon den ganzen Abend zwischen Fenster und Gardine brummte, bekam ihr Solo.
»Alexander«, sagte Elisabeth leise. »Sei ehrlich. Warum bist du hierher zurückgekehrt? Warum? Nachdem
du stets gesagt hast, daß du den Ring kein zweites Mal mehr anpacken willst.«
Der Regisseur schwieg. Die Sängerin drehte umständlich den Wasserhahn auf. Das Schweigen ließ sich nicht hinunterspülen.
»War es, um die Geschichte mit ihr zu Ende zu bringen«, fragte sie. »Um euer gemeinsames Kind doch noch auf die Bühne zu heben?«
»Elisabeth«, sagte eine versteinerte Stimme. »Ich will nicht mit dir darüber reden. Du verstehst das nicht.«
Die Sängerin betrachtete ihre aufgeschnittene Hand. »Ich verstehe sehr wohl, daß du gerade dabei bist, wegen dieser verfluchten Frau und dieser verfluchten Inszenierung dich und unsere Ehe zu ruinieren. Seitdem wir hier in Frankfurt sind, bist du jeden Tag nervöser, grauer
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