Ringkampf: Roman (German Edition)
ein bedeutender Künstler! Es kommt dir nicht zu, in dieser Weise über ihn zu reden.«
Reginald hob traurig den Blick. »Benito, ich begreife dich nicht«, sagte er langsam. »Warum verteidigst du ihn so? Ich wollte es dir ja eigentlich nicht sagen, aber – «Sein Blick glitt von dem eisigen Gesicht wieder ab. »Ich habe aus Ravens Mund noch nie ein positives Wort über dich vernommen. Wenn überhaupt, dann redet er abfällig von dir. Er mißachtet dich. Als Intendant.
Und als Dirigent. Für ihn existiert nur Haffner. Du bist in seinen Augen nichts weiter als der Übeltäter, der das Goldene Zeitalter der Oper Frankfurt ruiniert.«
Benito Bellini atmete schwer. Seine Fäuste zitterten. » Basta! Das reicht! Noch ein – «
Reginald schaute angestrengt an ihm vorbei. »Erst gestern wieder hat Raven gelästert, daß er noch nie einen so flachen und geistlosen Ring gehört hat wie – «
Der Maestro stürzte sich auf ihn. Er packte ihn an den Schultern. » Bugiardo «, zischte er. »Das hat Alexander Raven nicht gesagt. Das kann er nicht gesagt haben. Du lügst. Du lügst, um deinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Reginald, ich warne dich!« Er schüttelte seinen jungen Freund und stieß ihn schroff zurück.
Reginald taumelte. Das blutige Filetiermesser fiel von der Anrichte. Kreidebleich verfolgte er, wie Bellini sich gegen die Wand stützte und schweigend auf den Boden sackte.
»Benito«, sagte er nach einer Weile, »was ist nur los mit dir?« Er klang eher bedrückt denn wütend. »Seitdem wir in die Oper eingezogen sind, hast du dich furchtbar verändert. Ich begreife ja, wie wichtig die Eröffnungspremiere für dich ist, und wieviel dir am Ring liegt, und daß du deswegen nervös bist. Aber merkst du nicht selber, wie übertrieben du in letzter Zeit auf alles reagierst? Du bist gereizt und launenhaft wie — wie eine abgehalfterte Diva. Du hast Ivan, deinen besten Assistenten, wegen einer Lappalie erniedrigt — und ihn wegen eines bloßen Verdachts entlassen. Und jetzt kommst du hier hereingerannt, sagst mir keinen Guten Abend oder sonst etwas Nettes, sondern brüllst mich einfach an und gehst auf mich los wie ein Tollwütiger.«
Der Maestro starrte auf das schwarz-weiße Kachelmuster zwischen seinen Schuhen. Unter seinem linken Auge zuckte es. »Das ist nicht wahr«, flüsterte er tonlos. »Das kann er nicht gesagt haben. So etwas kann Alexander Raven nicht gesagt haben.«
Reginald riß sich die Schürze vom Bauch, knüllte sie zusammen und schleuderte sie in eine Ecke. Sein Kinn zitterte, als er sich auf der Küchenschwelle noch einmal umdrehte.
»Vielleicht bist du ja bei der Premierenfeier wieder in der Verfassung, wenigstens kurz an mich zu denken«, sagte er schluchzend. »Und vielleicht fragst du dich dann, ob es das alles tatsächlich wert gewesen ist.« Er rannte davon.
Im Ofen verbrannte der Lachs.
36
»Mädchen, was machst du denn hier? Dachte, du wärst zurück in New York.« Die knarrende Stimme des Kantinenzerberus stoppte Cora kurz hinter der Eingangstür. Sie winkte mit einer schwachen Handbewegung ab. » Grüß dich, Elli. Dachte ich eigentlich auch. Aber naja. – Du hast doch den Wirbel der letzten Tage sicher mitbekommen. Alexander ist völlig runter mit den Nerven.«
Die Souffleuse knurrte verächtlich. »Hat dich der alte Hund mal wieder rumgekriegt. Hatte gehofft, du wärst klüger.« Sie lachte heiser. »Ist doch immer das gleiche. Da machen die Kerle einen auf hilflos, und schwupps schon ist die Mutti da, die ihnen ihr Spielzeugauto ausm Klo fischt.«
Cora setzte sich nachdrücklich. »Nein, Elli. Mit mütterlichem Helfersyndrom hat das hier garnichts zu tun. Zu sehen, daß er ohne mich nicht klarkommt, ist meine ganz persönliche Genugtuung.«
»Na wunderbar.« Die Souffleuse schloß kurz den Mund, um einen Rülpser zu dämpfen. »Hat er es also auch noch hingekriegt, daß Mutti stolz darauf ist, für ihn in die Scheiße greifen zu dürfen.«
»Ach, laß mich doch in Ruhe.« Die Dramaturgin stand ebenso heftig auf, wie sie sich gesetzt hatte.
Elli zerrte sie auf den Stuhl zurück. »Hiergeblieben«, brummte sie. »Wenn du schon so dämlich warst, dich wiederum den Finger wickeln zu lassen, dann sauf wenigstens mit mir.« Sie schnipste in Richtung Theke. »Angela, noch zwo Kirsch!«
In stummer Zwietracht kippten beide Frauen den Schnaps. Am Nachbartisch wurde kraftvoll gefeiert. Acht Kontrabässe begossen das Ende der musikalischen Walküre -Proben. Cora streifte sie
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