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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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begann.
    »Cora, du siehst, wie schwer es mir gefallen ist, unseren privaten Streit zurückzustellen und jetzt zu dir zu kommen. Überwinde deinen Stolz und hilf mir.« Seine Stimme hatte sich zu einem Murmeln zurückgezogen. »Tu es nicht für mich. Tu es für unseren Ring.«

35
    Der Küchenmixer brummte. Aus den Boxen plätscherte Anna Moffos kristallklarer Sopran. Reginald streifte sich die Hände an der Schürze ab und griff nach dem großen Wiegemesser. Im Rhythmus der Koloraturen hackte er das Basilikum. Son ve-e-e-er-gi-in ve-ez-zo-o-o-o-sa in ve-e-e-e-sta-a di-i spo-o-o-o-sa . Seine eigentliche Opernliebe gehörte dem Belcanto. Als Abschlußarbeit seines Regiestudiums hatte er I Puritani inszeniert. Im Backofen begann der Lachs zu brutzeln. Reginald öffnete den Mixer, schnupperte und ließ eine Handvoll Pinienkerne in den pürierten Knoblauch rieseln. Anna Moffo eilte mit großen Sprüngen auf die Cabaletta zu. Reginald stellte die Musik lauter und holte das angefrorene Fleisch aus dem Kühlschrank. Unter die chromatisch-brillierenden Passagen legten sich die Wetzgeräusche eines Filetiermessers. Reginald prüfte die Schneide und nickte zufrieden. Stets schnitt er Carpaccio selbst. Anna Moffo trillerte sich durch finale Spitzentöne. Hauchdünn sanken die ersten Scheiben vom rohen Rindfleisch.
    Ein zornig über die Küchenschwelle geschleudertes porco dio ließ Reginald herum- und das Filetiermesser in seinen linken Daumen fahren. Benito Bellini stürzte zur Stereoanlage und knallte auf die Stop-Taste, daß sie heraussprang. »Reginald! Schon hundertmal habe ich dir gesagt, daß ich diese musicaccia in meiner Wohnung nicht dulde.«
    Der Assistent starrte abwechselnd auf seinen zornesrot angelaufenen Freund und seinen geschnittenen Finger.
»Es — es tut mir leid«, stammelte er. »Ich habe dich nicht kommen hören.«
    Nach den anfänglichen Schrecksekunden begann die Hautspalte zu bluten. Reginald steckte den Finger in den Mund. »Du siehst so verärgert aus«, nuschelte er. »Hattest du Ärger?«
    » Sissignore «, schnauzte der Maestro. »Ich habe Ärger. Und zwar mit dir.«
    »Mit mir? Wie meinst du das?« Vor Erstaunen rutschte Reginald der Finger aus dem Mund. Blut sickerte über sein Handgelenk.
    Benito Bellini funkelte ihn an. »Ich habe heute abend Alexander Raven getroffen. Er hat sich über dich beschwert. Bitter beschwert. Er hat mir von deinem eigenmächtigen Handeln mit EUPHORION berichtet. — Reginald, ich habe dir dieses Projekt nicht anvertraut, damit du wichtigere Aufgaben vernachlässigst. Raven hat mir erzählt, daß du Probenpläne falsch weitergeleitet hast. Daß er dir jede Kleinigkeit erklären muß. Und daß du immer wieder bei Proben gefehlt hast. Er sagt, du bist der schlechteste Assistent, den er jemals hatte.« Die Stimme des Dirigenten hatte sich bedrohlich gesteigert.
    Reginald verschmierte das Blut, das auf die Marmorplatte tropfte. »Das ist nicht fair«, sagte er. »Raven ist wütend, weil seine alten Assistenten ihm alle einen Korb gegeben haben. Und diese Wut läßt er jetzt an mir aus. Er kann von mir nicht erwarten, daß ich seine Inszenierung kenne wie jemand, der fast ein Jahr lang daran mitgearbeitet hat.«
    Benito Bellini lachte ironisch. » Fantastico! Du gestehst, daß du Probleme mit der Inszenierung hast. Und
was unternimmst du dagegen? Du fehlst bei den Proben! Cielo, che logica! «
    Reginald griff nach einem Küchenhandtuch und bandagierte seinen Daumen. Er schaltete den immer noch röhrenden Mixer ab. »Du hast ja keine Ahnung, wie es ist, wenn man jeden Tag mit denen zusammenarbeiten muß«, sagte er leise. »Daß Raven und diese — diese verbiesterte Dramaturgen-Tussi homophob sind bis zum Geht-nicht-mehr, davon will ich jetzt gar nicht reden.« Er starrte auf das Filet, das ungeschnitten vor sich hin taute. »Aber was mich wirklich fertig macht, ist, daß sie mich wie einen lästigen Eindringling behandeln. Wie einen dummen Jungen, den sie nur aus Gnade in ihrem eingeweihten Zirkel dulden. Sie lassen sich ihre Vergangenheit heraushängen wie — wie ein Adelsprädikat. Du müßtest diese Atmosphäre erleben — dann würdest du mich begreifen. Es ist wie bei einem Veteranentreffen. Jeder dritte Satz ist: Weißt du noch? und Kannst du dich noch erinnern? und Wie hatten wir das? und Ach ja, damals. — Damals, damals, damals! Ich kann dieses Wort nicht mehr hören!«
    Der Maestro schlug auf den Küchentisch. »Reginald ! Schluß damit! Alexander Raven ist

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