Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
Vom Netzwerk:
Siegfried erschlägt, sagt Hagen nämlich noch was viel Schlaueres: Wir werden denen das Dümmste erzählen, was uns in den Sinn gekommen ist. Keiner wirds zwar glauben. Doch wird’s auch keiner wagen, uns Lügner zu nennen.« Sie zerquetschte ihren Zigarillo im Aschenbecher.
    Cora stand steifbeinig auf.
    »Elli«, sagte sie leicht konfus, »Elli, es tut mir leid, aber ich muß jetzt wirklich wieder rauf. Alexander wartet.«
    Sie hatte es so eilig, die Kantine zu verlassen, daß sie sich nicht einmal mehr umdrehte, als in ihrem Rücken der erste Sektkorken knallte und Gwendolyn unter achtstimmig gedehntem Hau-Ruck auf den Tisch gestemmt wurde. Die Hospitantin lachte hell.

37
    Vor Jahren hatte Cora all ihre Erinnerungen an den Opernbrand in einen Karton gepackt, dreifach zugeklebt und in einer entlegenen Gedächtniskammer abgestellt. Schlaflos starrte sie an die Zimmerdecke. Seit heute mittag begann sich der Karton wieder zu öffnen. Schaurig gut erhaltene Bilder stiegen aus ihm auf und flimmerten über den Plafond.
    Sie sitzt am offenen Fenster. Der Himmel ist schwarz. Sie hat sich mit Alexander gestritten. Wieder einmal gestritten. Die Heizungknacktmonoton. Sieistohneihnins Apartment zurückgegangen. Ihr Kopf ist ein Brummkreisel. Neidisch lauscht sie dem Schlaf der nächtlichen Oper.
    Alexander kommt ins Zimmer gewankt. Er klammert sich an seine Wodkaflasche. Sein Gesicht ist grau. Hau ab, lallter. Verschwinde, ich habe Schluß gemacht. Es ist besser so. Für dich. Und für mich. Es geht nicht mehr. Er fällt besinnungslos aufs Bett. Sie sagt nichts und schläft im Sitzen ein.
    Sirenen zerbeulen die Stille. Irgendwo aus dem Herzen der Oper dringt ein sonderbares Dröhnen. Sie blinzelt. Undeutlicher Geruch reizt ihre Nase. Sie niest. Ihr Kopf sinkt auf die Tischplatte zurück.
    Ein Hustenanfall zerreißt ihren Dämmer. Sie schlägt sich die Stirn am Fenster an. Etwas Scharfes kratzt in ihrer Lunge. Blaulichtblitze zucken über die Wände. Das Geräusch ist angeschwollen. Jetzt erst erkennt sie, daß es das Gebrüll von Feuersbrunst ist.
    Alexander schnarcht mit offenem Mund. Er liegt in einer
Wodkalache. Sie tritt auf seine Brille. Seine Hand umklammert noch immer die leere Flasche. Sie rüttelt ihn unsanft. Als er nicht reagiert, schlägt sie ihm ins Gesicht.
    Das Treppenhaus ist mit beißendem Rauch gefüllt. Alexander hängt ihr zentnerschwer auf den Schultern. Keuchend schleppt sie sich und ihn die Stufen hinunter.
    Ein Feuerwehrmann eilt ihr im Erdgeschoß entgegen. Sie übergibt ihm ihre besinnungslose Fracht. Ein zweiter Feuerwehrmann will sie stützen. Sie reißt sich los und rennt wieder nach oben. Die Feuerwehrmänner schreien ihr hinterher.
    Cora setzte sich schweißgebadet auf. Sie wünschte, der Film würde an dieser Stelle reißen. Doch die befreiten Bilder wollten laufen.
    Sie taumelt durch verrauchte Gänge. Ihre nackten Füße klatschen auf den Estrich. Zwei Silben zerstampfen ihr Hirn. Ein Hustenanfall wirft sie zu Boden. Der Weg zur großen Bühne ist versperrt. Sie rafft sich auf und stolpertin die andere Richtung weiter. So lange sie noch Stimme hat, stößt sie die zwei Silben hervor. Die einzige Antwortbleibt Flammengeheul.
    Flirrende Hitze schlägt ihr entgegen. Die hintere Wand der Probebühne hat sich bauchig gewölbt. Sie schließt die Augen. Zum letzten Mal keucht sie die zwei Silben. Verzweifelter Instinkt treibt sie in den glühenden Saal hinein.
    Die Kanten der Regiebücher schneiden ihr in die Arme. Plötzlich ist es viel zu kalt. Sie kauert auf einem Koffer. Es ist ihr Koffer. Sie weiß nicht, wie er ins Freie gelangt ist. Fremde Männer in Uniformen stehen um sie herum. Ihr wird schwindelig. Sie drückt die Bücher noch fester an
sich. Sie gräbt die Zehen in den Wiesengrund. Ot-to, murmelt sie immer und immer wieder, Ot-to .
    Cora griff mechanisch nach der Rotweinflasche neben ihrem Bett. Die Regiebücher hatte sie damals noch retten können. Otto nicht.
    Sie stapft auf der ausgebrannten Bühne umher. Ihre Gummistiefel schmatzen im Löschwasser. Über ihr hängt nackter Himmel. Das Feuer hat aus der Bühne eine Mondlandschaft gemacht. Sie wandert an schwarzen Kratern, schwarzen Kulissengebirgen, schwarzen Metallstümpfen vorbei. Alles ist bedeckt mit feinem Aschenschnee.
    Vor einem wirren Trümmerhaufen bleibt sie stehen. Sie geht in die Knie. Sie hat gefunden, was sie nicht hat finden wollen. Mit klammen Fingern zieht sie die verblichenen Überreste von Wotans eingeschmolzenem

Weitere Kostenlose Bücher