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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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nie übers Herz gebracht, diesem Haus auch nur eine einzige Schraube zu krümmen. Dafür hat er es viel zu sehr geliebt. Und zweitens hätte es Hans im besonderen nicht übers Herz gebracht, die Bühne abzufackeln, während seine mühsam zusammengenagelten Dekorationen dort auf ihre Premiere warteten. Kannst du dich nicht mehr erinnern, wie Hans an jenem Morgen ausgesehen hat? Wir haben doch alle Angst gehabt, der springt uns gleich in die Flammen.« Sie schüttelte trotzig den Kopf. »Nein. Nein. Da ist es hundertmal wahrscheinlicher, daß einer von diesen Frankfurter Immobilien-Neros rumgezündelt hat.« Sie zeigte auf die Zeitung, die sie vom Boden gelesen hatte. »Und es gibt auch tatsächlich einen, deres damals kaum erwarten konnte, die Stadt mit seinen Bebauungsplänen für den Theaterplatz zu beglücken«, sagte sie triumphierend.
    Die Messer am Nachbartisch legten eine gespannte Generalpause ein.
    »Unser allseits geliebter Ober-Mäzen.« Cora spitzte die Lippen. »Zanassian. Der hatte seine Bauklötzchen schon ausgepackt, da waren die Flammen hier noch gar nicht gelöscht. Der hat im Magistrat sein fertiges Modell für ein – wie hat er es gleich genannt«, sie schielte
auf die Headline, »für ein Multifunktions- und Multivisionszentrum auf den Tisch geknallt, da hatten die anderen gerade erst in der Zeitung gelesen, daß ihnen das Opernhaus abgebranntist.«
    Die Souffleuse hatte mit wachsendem Grinsen zugehört. »Ich geb dir einen weisen Rat«, sagte sie, »sei vorsichtigmit Zanassian. Der Kerl ist eine Killerqualle.«
    »Eben«, bestätigte Cora und grinste nun ihrerseits. »Ich glaube, ich sollte ihn bei Gelegenheit ein wenig anpieksen. Mal sehen, was außerdem ganzen humanistischen Glibber noch rauskommt.«

41
    Die Göttin hing müde in den Schaukelseilen. Ihr Kopf neigte sich auf die nachtblau verschleierte Brust. Wotan hatte seinen Hut in die Stirn gezogen. Erumkreiste die hinwegdämmernde Frau in wachsender Erregung.
    Alexander Raven sprang auf. »Halt! Jochen! Halt! Wir müssen das hier gleich ganz präzise machen. Ich hoffe, daß wirnächste Woche endlich wiederunten probieren können. Aber auch wenn wir jetzt Abläufe nur markieren, heißt das nicht, daß wir schludern. – Wo fängst du an, zum letzten Mal direkt zu Erda zu sprechen?«
    Der Gott spulte seinen Schlußgesang im Schnelldurchlauf ab. Der Regisseur schnipste mit den Fingern. »Gut, also bei: Drumschlafnun du, schließe dein Auge, träumend erschau mein Ende, beginnt die Schaukel mit Erda zu sinken. Wotan, du stehst an diesem Loch und siehstihrhinterher. Die ganze Zeit. Ja? Auch dann noch, wenn sie schon wieder vollständig im Boden verschwunden
ist. Und was sind dann deine letzten Worte, bevor Siegfried kommt?«
    Wieder spulte der Sänger und wieder hakte der Regisseur ein. »Du singst: Hinab, hinab, zu ewigem Schlaf , und bei Schlaf nimmst du deinen Speer und trennst die beiden Seile von der Schaukel durch. Ja? Kein großer Hieb, wie gegen Siegmund oder Siegfried, sondern mach es ganz sanft. Die Musik wird ja auch ganz, ganz zurückgezogen in dieser Passage. Es ist kein aggressiver Schlag, es ist mehr so ein – zwar sehr bestimmter, aber dabei unendlich trauriger Schnitt. Die Geste muß was sehr Inniges, Zärtliches haben. Verstehst du? Dein Abschied ist endgültig, aber nicht im Zorn.«
    Jochen Sywoll nickte unter seinem Schlapphut. Er hantierte mit dem langen Speerherum.
    Alexander Raven setzte sich wieder und zündete eine Zigarette an. Das Feuerzeug zitterte in seinen Händen. »Wir machen Wotans Schicksalsgesang noch mal von Anfang.«
    Die Göttin auf der Schaukel erwachte aus ihrer Erstarrung. »Alexander«, fragte sie, »dann kann ich doch jetzt gehen, oder?«
    Der Regisseur schleuderte das Feuerzeug auf den Tisch. Es schlitterte querüber die Platte und fiel zu Boden. »Nein! Du kannst nicht gehen. Du bist in dieser Szene bis zum Schluß auf der Bühne, also wirst du auch bis zum Schluß dableiben.«
    Die schwarzhaarige Sängerin strich sich den Schleier aus dem Gesicht. »Hör mal, wenn du nur noch seinen Auftritt probieren willst, sehe ich wirklich nicht ein, wozu du mich hier noch brauchst. Auf der Schaukel
rumsitzen kann ja wohl auch irgend jemand anderes. Ich habe heute abend ein Konzert.«
    »Das ist mir vollkommen egal«, schnauzte Alexander Raven sie an. Er warf die angerauchte Zigarette weg. »Die Probe ist für dich noch nicht zu Ende. Verdammt noch mal.« Er zermalmte die Kippe unter seinen Sohlen. »Jeder

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