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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Lautsprecherboxen.
    Der Morgen erblaßte, als sein erstes Licht in die Dachkammer fiel. Wagners Kopf lag in unzähligen Scherben. Die vier Klavierauszüge waren dahingemetzelt. Hilflose Wut hatte ihre tausendreihundertzweiundneunzig Seiten zerknüllt und zerfetzt. Wie dunkle Blutspritzer klebten die Noten auf dem Papier.
    Die Hospitantin kauerte auf dem Boden. Mit leerem Blick riß sie den Cassetten die Gedärme heraus.

44
    Im Vorzimmer zum Vorzimmer zur Macht herrschte Dezenz. Die Dramaturgin räkelte sich in dem steifen Ledersessel, in den man sie vor einer halben Stunde gesetzt hatte. Sie betrachtete die Graphikserie, die sich über drei Wände hinweg langweilte. Jeden der Drucke hätte sie bereits aus dem Gedächtnis nachzeichnen können. Gähnend schaute sie zu den Erkerfenstern hinaus. Die Stadt stöhnte unter der beharrlichen Hitze. Cora fuhrmitihren Stilettos das grätige Parkettmuster nach.
    Sie mußte weitere vierzig Minuten warten, bis sie aus dem Purgatorium entlassen wurde. Eine perfekte Sekretärin öffnete die geschnitzten Flügeltüren und geleitete sie durch zunehmend möblierte Räume. Kandinskys
und Chagalls grüßten im Vorübergehen. Klee und Mirò hielten sich im Hintergrund. Wenige Picassos später rückte das dunkle Ende der Zimmerflucht in Sicht. Die Sekretärin verschwand in einem Seitenflur. Die Dramaturginzog sich den Seidenblazerstramm.
    Gegen ihren Willen andachtsvoll betrat sie die Höhle des Baulöwen. In dem dämmrigen Licht weiteten sich ihre Pupillen. Griechische Marmorköpfe ließen ihre blinden Augen auf Bronzestatuetten ruhen. Italienische Fayencen balancierten auf Chippendale. Gobelins gingen nahtlos in Schiras-Teppiche über. Die hohen Wände waren mit Ölgemälden getäfelt. Bescheiden wie Paneel traten die Tableaus hinterihren massiven Goldrahmen zurück. Cora wanderte an einer Landschaft vorbei, durch die vor ihr schon Caspar David Friedrich gewandert sein mußte.
    Der Tycoon thronte bleich und reglos hinter einer Schreibtischfestung aus Nußholz. Er wuchtete sich erst hoch, als die Dramaturgin zwei Drittel des Raumes durchmessen hatte. Die Sonne in seinem Rücken verdunkelte sich.
    Cora drückte die erlesene Hand. Sie nahm Platz auf einem hochlehnigen Stuhl mit moosgrünem Samtpolster. Das Sonnenlicht, das Zanassian in gebündelten Strahlen über die Schulterstach, blendete sie.
    »Sie sind also die Dramaturgin bei unserem großartigen Frankfurter Ring. Sehr schön, sehr schön«, sagte er jovial. »Was kann ich für Sie tun, Frau Starneck.«
    Cora zuckte zusammen wie eine Auster beim Zitronenspritzer. Unauffällig zwickte sie sich in den Oberschenkel.
    »Ich habe von Ihren ursprünglichen Plänen zum Neubau
– oder besser, zur Neukonzeption der Frankfurter Oper gehört«, sagte sie und versuchte nonchalant zu klingen. »In den letzten Jahren habe ich viel an amerikanischen Häusern gearbeitet, die bereits nach einem ähnlichen Modell organisiert sind. Deutschland ist in dieser Hinsicht ja noch ein Entwicklungsland. Es würde mich interessieren, mehr über Ihre früheren Pläne zu erfahren. «
    »Ah, Sie haben von unseren damaligen Entwürfen gehört«, sagte Zanassian mit schwer zu deutendem Lächeln. »Es freut mich sehr, daß darüber heute noch diskutiert wird.«
    »Das Frankfurter Opernhaus ist ein – wie soll ich sagen – ein durchaus traditionsreiches Gebäude«, stammelte Cora, nachdem Zanassian weiter nichts sagte. Sie atmete durch. »Und in diesem Sinne finde ich es auch sehr ehrenwert, daß man sich entschlossen hat, es wiederaufzubauen. Aberdas nächste Jahrtausend rückt näher. Und ein neues Jahrtausend verlangt nach neuen Impulsen. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Es hat mich gewundert, daß man ausgerechnet hier, in der einzigen deutschen Stadt, die sich bemüht, ein zeitgemäßes architektonisches Profil zu entwickeln, daß man ausgerechnet hier sich für die – nun ja: konservative Lösung entschieden hat.« Sie setzte ein Lächeln auf, von dem sie hoffte, daß es gewinnend war.
    Zanassian lehnte sich zurück. Ein Sonnenstrahl stach Cora direkt ins Gesicht. Sie senkte die Stirn.
    Der Tycoon bettete seine Finger auf den gepolsterten Armlehnen des Herrschersessels. »Sehen Sie, Frau Starneck«, begann er wohlwollend. »Frankfurt, unserer Stadt, lag damals vor allem eines am Herzen: Daß
die Wunde, die dieses sinnlose Feuer in sie hineingebrannt hatte, so schnell wie möglich wieder geschlossen werden möge. Ein kombiniertes Mehrfunktionenmodell mit

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