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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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perfetto .« Er klappte seine Noten schwungvoll zu. »Deine Aussprache ist seit Rheingold viel besser geworden«, lobte er.
    Der Sänger strahlte. »Reginald hat beigebracht.«
    »So? Reginald.« Ein plötzlicher Kälteeinbruch ließ Bellinis Lächeln gefrieren. Erwandte den Kopf ab. »Ja, man kann viel lernen von Reginald«, sagte erbitter. » Sa tutte le maliziette, il bastardello! «
    Nach einerunmäßig langen Pause blickte er den Sänger wieder an. Die Augen brannten in dem erkalteten Gesicht.
    Slawomir Wolansky rieb nervös die Finger. »Ich nicht gut verstehe«, sagte er.
    »Ich glaube, du verstehst sehrgut«, flüsterte der Maestro zwischen den Zähnen und stand auf. Er stieß das Notenpult zur Seite. Noch während der Klavierauszug zu Boden flatterte, packte er den Sänger und küßte ihn auf den Mund.
    Seine Hände fanden weder Widerstand noch Entgegenkommen, als sie das Hemd aufrissen und an der
unbehaarten Brust hinabkletterten. Vergeblich bemühte sich seine Zunge, der fremden Mundhöhle ein Echo zu entlocken. Der junge Bariton warin Duldungsstarre gefallen.
    Bellini drückte ihn fester an sich. Sein Blick glitt über Slawomirs Schulter hinweg ins Leere. Ein seltsames Portrait, das ernochnie in seinem Zimmer gesehen hatte, ließ ihn stutzen. Hände klammerten sich an einen abweisenden Rücken. Erloschene Gesichtszüge starrten ihm entgegen.
    Der Dirigent schloß die Augen. Es war der Spiegel, der seit den letzten Proben mit Jessica Johnson-Myer dort an der Wand lehnte.
    Wie betäubt rutschten seine Arme von dem Sänger herunter. Er drehte sich um.
    Schwarz glänzte der Bechstein.
    »Geh nur«, sagte erleise. »Geh.«

40
    »Elli, hör dir das an!« Cora schüttelte die zerfledderte Zeitung auf. Der Kantinentisch versank unter dem vergilbten Papier, das sie letzte Nacht aus dem Archiv der einstigen Dramaturgie entführt hatte.
    » Der gebürtige Cottbusser war einen Tag vor der Brandstiftung von einer Reise nach Sri Lanka auf dem Rhein-Main-Flughafen angekommen «, las sie deklamatorisch vor.
    An den Nachbartischen saßen Orchestermusiker mit Ohren wie Satellitenschüsseln.
    » Die Zustände, die der ehemalige Küchenhelfer in dem
Land, das für ihn stets ›das Paradies‹ gewesen war, tatsächlichvorgefunden hatte, seien für ihn ›eine unvorstellbare menschliche Enttäuschung‹ gewesen. Ziellos, ohne Geld irrte Karsten D. durch Frankfurt, bis er in der Nacht zum fünften April gegen zwei Uhr durch ein gekipptes Fenster in das Opernhaus einstieg – angeblich im Glauben, es handle sich um ein Bürogebäude. – Na ja, wenigstens zum Zukiffen muß das Geld ja noch gereicht haben«, fügte sie etwas leiser hinzu.
    » Nachdem er dort «, machte sie im vorherigen Ton weiter, » außer einigen Spirituosen nichts zu essen fand, entfachte er in einem Nebenraum der Bühne ein kleines Feuer. Während die Löscharbeiten auf Hochtouren liefen, war unter den Zuschauern auch Karsten D. Erst in diesem Augenblick, behauptet er, sei ihm klar geworden, daß es ein Opernhaus war, das er angesteckt hatte. Gegen sechs Uhr dreißig meldete er sich schließlich von einer Telefonzelle im Gerichtsviertelaus beim Notruf der Polizei. ›Ich bin mit der Welt fertig, deshalb habe ich die Oper angezündet. ‹« Cora warf die Zeitung auf den Tisch.
    Die Musiker starrten angestrengt auf ihre Teller. Elli Schubert fingerte an ihrem Schnapsglas herum.
    Cora fischte ein anderes Blatt aus dem Papierwust. »Wenn ich mir die Prozeß-Berichte so anschaue, tut es mir richtig leid, daß ich damals nicht dabei war«, sagte sie. »Klingt, als ob es eine ziemlich spaßige Veranstaltung gewesen wäre.« Sie strich die angefressene Seite glatt.
    » In seinem letzten Wort entschuldigte sich Karsten D. ›bei allen Frankfurtern und allen Kulturmenschen dieser Stadt‹ für seine ›große Dummheit‹. Auch wenn er den
Schaden nicht wiedergutmachen könne, so wolle er doch die Honorare des Buches, das ein Schriftsteller über ihn schreiben wolle, zur Ver fügung stellen «, las Cora laut für Elli.
    Auf den Tellern der Musiker wurden die Frikadellen immer kälter und härter.
    » Der Gedanke an den Brand quält mich, wie wenn ich ein Kunstwerk vernichtet hätte, ich bin doch selbst ein Opernfreund und wollte sogar mal ein Libretto schreiben .« Sie grinste kurz und wühlte wiederin den Zeitungen. »Wart mal, dazu hab ich noch was Schöneres entdeckt. – Ah ja, hier: Karsten D. schreibtin der Justizvollzugsanstalt Preungesheim an seiner Ballade

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