Ringwelt 03: Ringwelt-Thron
Laser angeregt werden – all das kostete Zeit. Und dann war da immer noch die Verzögerung durch die Lichtgeschwindigkeit. Die Beute hatte genügend Zeit zu entkommen.
Der Hinterste wäre äußerst begierig auf ein unbeschädigtes Raumschiff mit Hyperraumantrieb.
Leise Musik spielte in entfernten Zweigen. Wheek war zu seinem Schiff zurückgekehrt. Louis fischte eine dritte Wurzel aus den Kohlen. Er schlitzte sie auf und zog an den Enden, um sie ganz zu öffnen. Dampf strömte hervor, zusammen mit einem Duft, der einer Süßkartoffel nicht unähnlich war.
Louis überlegte, ob er vielleicht wilden Lebensbaum gefunden hatte. Egal. Im Erdboden steckte nicht genügend Thallium; die Pflanze konnte das Virus nicht ernähren, welches die Metamorphose bewirkte. Das Kochen hätte ihn so oder so vernichtet. Louis nahm sich Zeit zum Essen. Dann ging er in Richtung Sawurs geflochtener Hütte.
Die Musik schien lauter zu werden. Merkwürdige Klänge, die der Wind da herantrieb; wie leise Bläser und summende Saiten. Louis blieb vor der Hütte stehen und lauschte.
Die Musik brach ab. Eine Stimme fragte: »Willst du nicht mit dem Web-Bewohner sprechen?«
»Nicht heute Nacht«, erwiderte Louis und wandte sich um. Die Stimme gehörte einem Kind. Es lispelte ein wenig. Die Nacht war neblig, doch Ringweltnächte waren relativ hell, und Louis hätte etwas erkennen müssen. Dachte er zumindest.
»Willst du dich nicht zeigen?«
Ein Albtraum erhob sich viel zu nah aus niedrigem Gestrüpp. Glattes Haar in der Farbe der Nacht bedeckte den Leib. Große, spatenförmige Zähne wurden zu einem übertriebenen Lachen entblößt. Lange Arme, große Hände, und eine davon hielt eine winzige Harfe.
Der Ghoul schien männlich zu sein, doch ein Kilt verbarg die Einzelheiten. Kaum Gesichtsbehaarung, flache Brust: Er war noch ein Kind, Mädchen oder Junge.
»Hübscher Kilt«, sagte Louis.
»Hübscher Rucksack«, sagte der Ghoul. »Die Arbeit des Webervolks wird überall im Tal des Shenthyflusses geschätzt.«
Louis wußte das bereits. Er hatte Weberarbeit Zehntausende von Meilen stromabwärts gesehen. »Haltet ihr für die Weber Wache?« erkundigte er sich.
»Wache?«
»Über ihre Besitztümer. Bewacht ihr sie in der Nacht?«
»Ja. Wir halten Diebe auf.«
»Aber ihr werdet nicht für normale … äh …«
Statt einer Antwort – gab es überhaupt ein Wort für Abfallbeseitigung einschließlich Bestattungsservice? – blies das Kind in den Griff seiner Harfe, während die Finger über Löcher im Instrument tanzten und die Saiten zupften. Das Kind spielte eine Melodie auf seinem tutenden, näselnden Instrument, dann streckte es Louis die Harfe entgegen. »Hast du einen Namen dafür?«
»Ein illegitimes Kind aus Harfe und Kazoo. Vielleicht Kazhar?«
»Dann bin ich Kazhar. Bist du Louis Wu?«
»Woher …?«
»Wir wissen, daß du einen See zum Kochen gebracht hast, weit oben am Bogen …« Kazhar deutete auf die ungefähre Stelle. »… dort. Dann warst du für vierzig Falans verschwunden. Jetzt finden wir dich hier wieder.«
»Kazhar, eure Nachrichtenübermittlung ist beeindruckend. Wie macht ihr das nur?« Louis erwartete keine Antwort. Ghoule hatten ihre Geheimnisse.
»Sonnenlicht und Spiegel«, entgegnete Kazhar. »War der Web-Bewohner einst ein Freund von dir?«
»Ein Verbündeter. Kein Freund. Eine komplizierte Geschichte.«
Der spitzgesichtige Hominide musterte Louis, und Louis bemühte sich, den Mundgeruch des Aasfressers zu ignorieren. »Hättest du gerne mit meinem Vater gesprochen?« fragte das Kind.
»Vielleicht. Wie alt bist du?«
»Fast vierzig Falans.«
Zehn Jahre. »Wie alt ist dein Vater?«
»Hundertfünfzig.«
»In Falans bin ich ungefähr tausend«, sagte Louis Wu. Er bemerkte, daß das Kind zu leicht zu entdecken war. Ein Ablenkungsmanöver? Lauschte sein Vater vielleicht aus der sicheren Deckung?
Nun, wie sollte er es vorbringen? Sollte er überhaupt? Schließlich sagte Louis: »Die große Katze, der Web-Bewohner, zwei Städtebauer und ich. Wir fünf haben alles Leben unter dem Bogen gerettet.«
Kazhar erwiderte nichts. Einige Wanderer sind wahrscheinlich große Lügner, dachte Louis. »Wir hatten einen Plan«, fuhr er fort. »Aber er hätte einige … sehr viele der Wesen das Leben gekostet, die wir zu retten versuchten. Ich trage genauso viel Schuld wie der Web-Bewohner, und ich habe ihn deswegen gehaßt. Und jetzt finde ich heraus, daß er viel mehr Leben gerettet hat, als ich ursprünglich angenommen
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