Ringwelt 03: Ringwelt-Thron

hatten schon von Protektoren gehört. Krieg bedeutete den Webern nichts. Es war nur ein Gerücht, und das Gerücht kam in Gestalt von Rüstungen daher, die die Form von Protektoren besaßen. Sämtliche Hominiden ohne Ausnahme besaßen anscheinend eine Erinnerung an diese Gestalt, entweder als Helden oder Monster, als Heiligen Georg oder als Grendel, als Vorlage für die Rüstungen der Grasriesenthurls oder als Druckanzüge auf dem Sims des großen Raumhafens.
    Nach heftigen Diskussionen schienen sich die Kinder auf die Seite des Hintersten zu schlagen. Fremde bedeuteten keine Konkurrenz. Fremde stahlen nicht und vergewaltigten keine Frauen – und was konnte fremdartiger sein als der Web-Bewohner?
    Schließlich rannten sie alle zum Wasser, um eine Runde zu schwimmen.
     
    Ein Gewächs erinnerte Louis an eine andere Pflanze mit einer dicken, rübenähnlichen Wurzel. Er fing an zu graben. Sawur beobachtete ihn eine Weile, dann fragte sie: »Nun, Luweewu? Kannst du dich ernähren?«
    »Ich denke schon. Obwohl es sicher nicht die Art von Ernährung ist, die einen Mann dick macht.«
    »Und wie gefällt es dir bei uns?«
    »Oh, gut.« Er hörte kaum zu. Die Konsequenzen einer Entscheidung, die er elf Jahre zuvor getroffen hatte, wurden ihm allmählich bewußt.
    »Aber du wolltest Strill.«
    Louis seufzte. Strill war sicherlich eine Schönheit, doch selbst Sawur, mit über vierzig Erdenjahren ganz bestimmt erwachsen, bedeutete für jemanden in Louis’ Alter noch beinahe Unzucht mit Kindern.
    »Strill ist wunderschön, Sawur«, erwiderte er. »Wenn Strill gekommen wäre, hätte das schlechte Nachrichten bedeutet. Ich erkenne den Wohlstand einer Kultur allein daran, welche Frau das Zelt mit mir teilt. Ich bin der Preis, wie hoch mein Wert auch sein mag …«
    »Sehr hoch.«
    »… und du hast mich für dich beansprucht. Wenn die Menschen hungern oder von Raubtieren bedroht werden, oder wenn sie sich im Krieg befinden, dann versuchen sie herauszufinden, welchen Preis ich verlange. Dann finde ich in der Regel wunderschöne junge Frauen in meinem Bett, und ich weiß, daß es Probleme gibt.«
    »Aber das willst du nicht.«
    »Nein, so meinte ich das nicht. Ich will sagen, sie brauchen vielleicht mehr als nur Ideen.« Zwei seiner Lastpaletten hatte er verschenkt an Völker, die schwere Lasten transportieren mußten. Es ging Sawur nichts an, also sagte er nur: »Wissen ist wie Rishathra. Du hast es, gibst es weg, und du hast es noch immer. Aber ich habe schon einmal Werkzeuge weggeben müssen.«
    »Was hat dich heute Morgen so nervös gemacht? Die Protektoren?«
    Louis stopfte eine Wurzel in seinen Rucksack. Jetzt hatte er bereits vier. »Du weißt Bescheid über die Protektoren?«
    »Seit ich ein kleines Mädchen war. In den Märchen sind sie Helden, doch am Ende ihrer Schlachten zerstören sie den Bogen und die ganze Welt. Kidada und ich erzählen diese Geschichten nicht mehr.«
    »Es sind Helden«, stimmte Louis ihr zu. »Die Protektoren auf dem Randwall – sie reparieren die Motoren, die die Ringwelt dort halten, wo sie hingehört. Ein anderer wirft Invasoren zurück. Aber Protektoren können auch nichts Gutes bedeuten. Aus den Aufzeichnungen des Web-Bewohners geht hervor, daß Protektoren sämtliches Leben auf ihrer Heimatwelt vernichteten. Das ist eine unserer kugelförmigen Welten. Es war ein Krieg zwischen Protektoren, die mehr Lebensraum für ihre Erwachsenen wollten.«
    »Vertraust du den Aufzeichnungen des Web-Bewohners?« fragte Sawur.
    »Es sind sehr gute Aufzeichnungen.«
    »Wollen wir schwimmen?«
    Am Nachmittag erlegten die Kinder ein Tier, das aussah wie eine kleine Antilope. Sie schnitten eine Stange, um ihre Beute ins Dorf zu tragen. Louis ging vorneweg. Es schmeichelte ihm, der stärkste Mann zu sein, doch es war nicht ungewohnt. Der durchschnittliche Hominide auf der Ringwelt war ein Stück kleiner als Louis Wu.
    Die Gäste vom Flußvolk waren weitergezogen, die Barke der Flußschiffer aber lag noch im Hafen vertäut. Sie fingen ein paar Fische und fachten das Feuer an. Zum Einbruch der Dämmerung war die Antilope fast durchgebraten.
    Zwischen den Hütten hindurch schimmerte das fraktale Fenster auf der Klippe. Diesmal zeigte es den gesamten Bogen der Ringwelt, ein geschecktes, blau-weißes Band mit schwarzem Himmel zu beiden Seiten.
    Was zum tanj trieben die furchtlosen Vampirjäger?
    Louis legte seine Wurzelsammlung an den Rand des Feuers. Kinder und Erwachsene bestürmten ihn mit Fragen.
    »Das ist der