Ringwelt 08: Der kälteste Ort
Geschwindigkeit, die er in jenen ersten zwei Wochen aufgebaut hatte. Irgendwo in der Nähe des schwarzen Flecks, den die Tiefenradar-Projektion ihm gezeigt hatte, hielt er schließlich an.
Obwohl er es bis jetzt noch nie gesehen hatte, basierte sein System der Treibstoffersparnis auf der Annahme, daß er niemals eine Stasisbox finden würde. Doch der Fleck war noch immer da, ein schwarzer Punkt auf dem grauen Geist des Planeten.
Louis Wu näherte sich dem Punkt.
Die Welt sah der Erde ein wenig ähnlich. Sie war fast gleich groß, hatte annähernd die gleiche Form und beinah die gleiche Farbe. Einen Mond sah er nicht.
Louis schaute sich den Planeten durch das Teleskop an und pfiff bewundernd durch die Zähne. Weiße Wolkenbänke über dunstig hellem Blau … schwach die Umrisse von Kontinenten … ein Wirbelsturm in der Nähe des Äquators. Die Eiskappen sahen recht groß aus, doch am Äquator herrschte gewiß ein angenehmes Klima. Laut Spektrograf war die Luft süß und nicht karzinogen. Und kein Lebewesen weit und breit. Keine Seele!
Keine Nachbarn. Keine Stimmen. Keine Gesichter.
»Zum Henker«, jubelte er. »Ich habe meine Box gefunden. Ich werde einfach den Rest meiner Ferien hier verbringen.
Wahnsinn: Keine Männer. Keine Frauen. Und keine Kinder!« Er runzelte die Stirn und rieb sich die Bartstoppeln unter dem Kinn. »Bin ich nicht voreilig? Vielleicht sollte ich erst anklopfen.«
Doch er horchte sämtliche Frequenzbänder ab, ohne die Spur eines Signals zu entdecken. Jeder zivilisierte Planet weist ringsum ein Radiofeld auf wie eine kleine Sonne. Doch hier gab es kein Anzeichen einer Zivilisation, nicht das geringste.
»Irre! Na gut, als erstes werde ich mir diese alte Stasisbox holen.« Er war ganz sicher, endlich eine gefunden zu haben. Nur Sterne und Stasisboxen haben eine genügend hohe Dichte, daß sie einen Hyperwellen-Impuls absorbieren können.
Er folgte dem Bild um den ganzen Planeten, der, wie sich herausstellte, doch einen Mond besaß, und zwar in 1930 Kilometern Höhe, mit einem Durchmesser von drei Metern.
»Warum nur«, wunderte er sich laut, »könnten die Slaver die Box in den Orbit gesetzt haben. Man findet ihn einfach zu leicht. Zum Teufel, sie haben doch Krieg geführt! Und wieso kann er immer noch hier sein?«
Der kleine ›Mond‹ war noch ein paar tausend Kilometer entfernt, immer noch unsichtbar für das bloße Auge. Doch auf dem Schirm war er deutlich zu erkennen. Eine glatte silberne Kugel. Drei Meter Durchmesser.
»Anderthalb Milliarden Jahre muß der jetzt schon hier sein«, sagte Louis zu sich selbst. »Und wenn du das glaubst, dann glaubst du alles. Normalerweise müßte er schon längst abgestürzt sein. Staub, ein Meteor, der Sonnenwind, ein magnetischer Sturm, Söldner der Tnuctipun. Eben irgendwas.« Er fuhr sich mit den Fingern durch die viel zu lange schwarze Haarmähne. »Er muß von irgendwoher, von außen in das Gravitationsfeld des Planeten geraten sein. Vor gar nicht langer Zeit. Wa…«
Ein anderes Raumschiff, ein kleiner Konus, war hinter der Silberkugel aufgetaucht. Seine Hülle war grün mit dunkelgrünen Markierungen.
2
»Verdammt«, sagte Louis. Die Bauart war ihm unbekannt. Es war kein Schiff der Menschen. »Was soll’s, es hätte schlimmer kommen können. Es hätten Menschen an Bord sein können.« Er setzte den Nachrichtenlaser ein.
Das fremde Raumschiff stoppte. Louis war höflich und tat desgleichen.
»Würdest du das glauben?« fragte er sich selbst. »Seit insgesamt drei Jahren suche ich jetzt nach Stasisboxen. Jetzt habe ich eine gefunden, und schon ist jemand anders da, der auch hinter dem Ding her ist!«
Strahlend blau blitzte ein anderer Laser an der Spitze des fremden Schiffes auf. Louis hörte den Autopilot-Computer leise kichern, während er die Signale in dem fremden Laserstrahl zu entschlüsseln versuchte. Wenigstens benutzten sie Laser und nicht Telepathie oder Tentakelwinken oder schnelle Veränderungen der Hautfarbe.
Auf dem Bildschirm erschien ein Gesicht.
Es war nicht der erste Fremde, den Louis gesehen hatte. Dieser hier hatte, wie einige andere auch, einen deutlich erkennbaren Kopf, einen Haufen von Sinnesorganen rings um den Mund und genug Platz im Schädel für ein Gehirn. Dreiäugig, stellte Louis fest. Die Augen lagen in tiefen Höhlen – was die Organe zwar schützte, aber das Blickfeld des Wesens einschränkte. Der Mund war dreieckig und wies gelbe, zackige Knochenmesser auf, deren Spitzen hinter den drei
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