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Ringwelt 08: Der kälteste Ort

Ringwelt 08: Der kälteste Ort

Titel: Ringwelt 08: Der kälteste Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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wickeln konnte, wenn er die Scheibe einschlagen wollte. Er trug nur Socken und einen Gefangenenkittel. Dieser Kittel war so auffällig, daß er ihn ebenso gut ausziehen konnte. Er streifte ihn über den Kopf, wickelte ihn um die rechte Hand und schlug gegen die Scheibe.
    Fast hätte er sich bei diesem Schlag die Hand gebrochen.
    Nun – man hatte ihm im Gefängnis wenigstens seine Uhr und seinen Brillantring gelassen. Er ritzte einen Kreis in die Scheibe und schlug noch einmal zu – diesmal mit der Linken. Es mußte Glas sein. Falls nicht, war er verloren.
    Die Scheibe gab nach. Das heißt, das kreisrunde Stück, das er mit dem Brillanten vorgeschnitten hatte.
    Er mußte den Vorgang sechsmal wiederholen, ehe das Loch groß genug zum Durchschlüpfen war.
    Lächelnd trat er in das Büro, den Kittel noch in der Hand. Jetzt brauchte er nur einen Lift. Die Polizei würde ihn sofort in seinem Gefangenenkittel auf der Straße verhaften. Doch wenn er den Kittel hier versteckte, konnte ihm nicht viel passieren. Wer verdächtigte schon einen lizenzierten Nudisten?
    Natürlich besaß er gar keine Lizenz. Auch kein Schultertäschchen, in dem er die Lizenz tragen mußte.
    Und er war unrasiert.
    Das war schlimm. So einen haarigen Nudisten wie ihn hatte es noch nie gegeben. Er hatte keine Stoppeln, sondern einen ausgewachsenen Bart. Wo konnte er sich einen Rasierapparat beschaffen?
    Er sah in den Schubladen der Schreibtische nach. Viele Geschäftsleute hatten einen Ersatzapparat im Büro. Nachdem er die erste Schublade durchsucht hatte, brach er das Unternehmen ab. Nicht, weil er einen Apparat gefunden hatte – er wußte jetzt, wo er war.
    Die Papiere im Schreibtisch klärten ihn darüber auf. Ein Hospital.
    Er hielt sich immer noch krampfhaft an seinem Kittel fest. Nun warf er ihn in den Papierkorb, bedeckte ihn säuberlich mit Papier und brach regelrecht über dem Stuhl hinter dem Schreibtisch zusammen.
    Ein Hospital. Ausgerechnet er mußte sich in ein Hospital flüchten. Und ausgerechnet dieses Hospital. Man hatte es ja nicht zufällig neben das Bezirksgericht von Topeka gebaut.
    Doch er wollte sich ja gar nicht hierher flüchten. Das Hospital hatte sich ihm aufgedrängt. Hatte er ein einziges Mal in seinem Leben wirklich eine Entscheidung selbst getroffen? Freunde hatten sich von ihm Geld geborgt, um es nicht mehr zurückzugeben. Andere Männer hatten sich seine Freundinnen ausgeborgt (mit gleichem Ergebnis). Er war bei Beförderungen immer übergangen worden, weil er sein Licht stets unter den Scheffel stellte. Shirley hatte gedroht, sich umzubringen, wenn er sie nicht heiratete, um ihn dann vier Jahre später gegen einen anderen einzutauschen, der sich von der Selbstmorddrohung nicht beeindrucken ließ.
    Und diese Pechsträhne wollte auch jetzt, am wahrscheinlichen Ende seines Lebens, nicht enden. Ein alter Organ-Schwarzhändler hatte ihm zur Flucht verholfen. Ein Architekt hatte den Abstand zwischen den Zellstäben so festgelegt, daß ein schmächtiger Mensch hindurchschlüpfen konnte. Ein anderer Architekt hatte ein Gehband zwischen den beiden Gebäuden gespannt. Und jetzt war er hier.
    Was die Lage noch verschlimmerte: Hier konnte er sich nicht als Nudist tarnen. Krankenkittel und Atemmasken waren das absolute Minimum an Bekleidung in dieser Anstalt. Selbst Nudisten mußten manchmal Kleidung anlegen. Und im Schrank?
    Im Schrank war nichts als ein modischer grüner Hut und eine durchsichtige Regenhaut.
    Vielleicht kam er damit durch bis auf die Straße. Er biß sich nervös auf die Fingerknöchel. Wenn er nur wüßte, wo der Aufzugschacht war. Er mußte sich eben auf sein Glück verlassen. Wieder suchte er nach einem Rasierapparat.
    Er hatte bereits ein schwarzes Lederetui mit dem gesuchten Gegenstand in der Hand, als sich die Tür öffnete. Ein korpulenter Mann im weißen Kittel rauschte herein. Er war schon fast am ersten Schreibtisch, ehe er Lew bemerkte. Der Mann blieb stocksteif stehen. Sein Unterkiefer klappte herunter.
    Lew brachte ihn wieder in seine alte Lage zurück, indem er dem Mann den Rasierapparat gegen das Kinn schlug. Zähne knirschten und splitterten. Die Knie des Mannes gaben nach, als Lew bereits durch die Tür in den Korridor hinauslief.
    Der Aufzug war keine zehn Meter entfernt. Die Türen standen einladend offen. Es war niemand zu sehen. Lew trat in den Fahrstuhl und drückte auf den untersten Knopf. Er rasierte sich, während der Fahrstuhl nach unten glitt. Das Gerät rasierte gründlich und rasch,

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