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Ringwelt 08: Der kälteste Ort

Ringwelt 08: Der kälteste Ort

Titel: Ringwelt 08: Der kälteste Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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zweiunddreißig Kilometer an die Oberfläche der Venus heranzulassen, solange man nicht mehr über den Planeten wußte. Der Anzug war ein mehrgliedriger Panzer. Ich hatte zugesehen, wie er in der Hitze- und Druckkammer im kalifornischen Labor getestet wurde, und ich wußte, daß die Gelenke sich nach fünf Stunden festfraßen und erst wieder arbeiteten, wenn sich der Anzug abgekühlt hatte. Ich öffnete den Spind und zog den Anzug bei den Schultern heraus. Ich starrte ihn an, und er schien zurückzustarren.
    »Spürst du immer noch nichts in den Ramjets?«
    »Nicht ein Zucken.«
    Ich legte den Anzug an – Stück für Stück wie eine mittelalterliche Rüstung. Dann kam mir ein Gedanke. »He!« rief ich, »wir sind zweiunddreißig Kilometer hoch! Verlangst du von mir vielleicht einen Balanceakt auf dem Schiffsrumpf?«
    »Nein! Habe nicht eine Sekunde mit diesem Gedanken gespielt. Wir müssen eben landen.«
     
    Der Auftrieb unseres Gasballons sollte bis zum Start konstant bleiben. Kurz vor dem Start konnte Eric den Auftrieb verstärken, indem er den Wasserstoff anheizte und dann das Ventil öffnete, um den entstandenen Überdruck abzulassen. Natürlich mußte er aufpassen, daß der Druck im Tank höher blieb, sonst strömte Außenatmosphäre in den Tank-Ballon, und das Schiff fiel, statt zu steigen. Selbstverständlich hätte dies eine Katastrophe zur Folge.
    Eric senkte die Temperatur im Tank, öffnete das Ventil, und wir sanken in die Tiefe.
    »Natürlich ist ein Haken an der Geschichte«, sagte Eric.
    »Ich weiß.«
    »Das Schiff hat dem Druck in zweiunddreißig Kilometern Höhe widerstanden. Auf dem Boden ist der Druck sechsmal so hoch.«
    »Ich weiß.«
    Wir fielen rasch. Die Kabine neigte sich nach vorn, da die Atmosphäre auf die Steuerflossen drückte. Die Temperatur stieg stetig, der Druck erhöhte sich sehr rasch. Ich saß am Fenster und sah nichts, nichts außer Schwärze. Dennoch blieb ich dort sitzen und wartete darauf, daß das Fenster platzte. Die NASA hatte sich geweigert, das Schiff für einen Flug unter zweiunddreißig Kilometern Höhe zuzulassen …
    »Der Gestank ist okay«, sagte Eric. »Das Schiff ist ebenfalls okay, glaube ich. Aber wird die Kabine dem Druck standhalten?«
    »Keine Ahnung.«
    »Sechzehn Kilometer!«
    Achthundert Kilometer über uns – unerreichbar – befand sich der Ionenantrieb, der uns wieder nach Hause bringen sollte. Wir konnten ihn nicht mit der chemischen Rakete erreichen. Die Rakete reichte nur für die letzte Etappe, wenn die Luft für die Ramjets zu dünn wurde.
    »Sechs Kilometer. Muß das Ventil noch einmal öffnen.«
    Das Schiff fiel.
    »Ich kann den Boden sehen«, sagte Eric.
    Ich konnte ihn nicht sehen. Eric bemerkte, wie ich angestrengt aus dem Fenster schaute, und sagte: »Hat keinen Zweck. Ich verwende tiefes Infrarot und kann trotzdem keine Einzelheiten unterscheiden.«
    »Keine riesigen, nebligen Sümpfe mit unheimlichen, schrecklichen Ungeheuern und Menschen fressenden Pflanzen?«
    »Alles, was ich sehe, ist heißer, leerer Boden.«
    Doch wir waren schon fast unten angelangt, und bislang zeigten sich keine Sprünge in der Kabinenwand. Meine Hals- und Schultermuskeln entkrampften sich ein wenig. Ich wendete mich vom Fenster ab. Stunden waren vergangen, seit wir den Abstieg durch die giftige, dicke Atmosphäre begonnen hatten. Den Anzug hatte ich bereits angelegt – bis auf den Helm und die Handschuhe. Jetzt schraubte ich den Helm fest und bewegte die drei Finger der Handschuhe.
    »Gurt anlegen«, befahl Eric. Ich gehorchte.
    Sanft setzten wir auf. Das Schiff neigte sich ein wenig, richtete sich wieder auf und hatte erneut Bodenkontakt. Mein gepanzerter Körper rollte im Netz hin und her, und meine Zähne schlugen aufeinander. »Verdammt«, murmelte Eric, »ich weiß nicht, wie wir wieder hinaufkommen sollen.«
    Ich wußte es auch nicht. Diesmal prallte das Schiff härter auf und blieb dann auf festem Untergrund liegen. Ich löste das Netz und stapfte zur Luftschleuse.
    »Viel Glück«, sagte Eric. »Bleib nicht zu lange draußen.«
    Ich winkte der Kabinenkammer zu. Die Außentemperatur betrug vierhundertsiebenundfünfzig Grad.
    Die äußere Schleuse öffnete sich, und meine Anzugkühlung setzte mit schrillem Surren ein. Einen leeren Eimer in jeder Hand haltend, stieg ich hinaus auf die rechte Tragfläche. Meine Helmlampe schlug eine weiße Bresche in die tintenschwarze Stille, die mich umgab.
     
    Mein Anzug knirschte und knackte unter dem gewaltigen Druck.

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