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Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler

Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler

Titel: Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward M. Larry und Lerner Niven
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wählte Nessus seine Antwort mit Bedacht: »Einiges, ja.«
    »Was er da sagt, ist erstaunlich. Nein, schlimmer noch: Es ist beispiellos«, erklärte Orpheus. Um seiner Geringschätzung Ausdruck zu verleihen, beschränkte er sich nicht einmal auf subtile Untertöne.
    Nessus drückte eine Taste auf dem Tisch, um den Rest seines Syntho-Getreidebreis dem Recycling zuzuführen – irgendwie hatte er den Appetit verloren. Die immer noch halb gefüllte Schüssel verschwand. Dann sagte Nessus: »Die Kettenreaktion der Supernovae im galaktischen Zentrum ist beispiellos. Die Wellenfront der Strahlung, die alles sterilisieren wird, was sie erreicht, ist beispiellos. Ist es so überraschend, dass unser Handeln nun ebenfalls beispiellos sein muss?«
    »Nein, nicht das erforderliche Handeln.« Orpheus hielt inne und nahm einen großen Schluck Wasser. Ganz offensichtlich war seine Meinung zu wichtig, um sie mit nur einem Munde kundzutun. »Die meisten Leute – nun, zumindest die meisten Experimentalisten – wären da ganz Ihrer Ansicht. Wie auch immer unsere Reaktion sein mag, sie muss beispiellos sein. Doch sobald wir eine Zeit lang entsprechend gehandelt haben – ist es dann wirklich immer noch beispiellos, Nessus? Ist es das wirklich noch?«
    Neben Orpheus stieg plötzlich ein vertrauter, heimeliger Geruch auf: Dung. Den sanften Plumpslaut hatte Nessus kaum bemerkt, und im gleichen Augenblick wurde der Kot auch schon abtransportiert.
    Die Tische waren mit Stepperscheiben ausgestattet, um jederzeit weitere Nahrung liefern zu können. Auch in den Gängen gab es Stepperscheiben. Sie waren von Filtern überzogen, die dafür sorgten, dass Dung – und nichts als Dung – sofort wieder dem Recycling zugeführt werden konnte. Grasen und Düngen – schon immer hatte die Herde beides gleichzeitig betrieben, schon lange, bevor sie sich ihres eigenen Handelns bewusst geworden war. Und die Segnungen der modernen Technologie machten diesen Prozess noch effizienter.
    Keine der anderen bekannten, vernunftbegabten Spezies waren reine Herbivoren, und nur Herbivoren schieden verdaute Nahrung auch an der gleichen Stelle aus, an der sie neue Nahrung aufnahmen. Zu Nessus’ Vorbereitungen, mit anderen intelligenten Spezies in Kontakt zu treten, hatte auch rigides Toilettentraining gehört. Wieder einmal kam er sich unter seinesgleichen völlig fehl am Platze vor.
    »Nessus?«, flötete Euterpe ungeduldig. »Verstehen Sie nicht, was Orpheus damit meint?«
    Bedauerlicherweise verstand Nessus das nur zu gut – oder genauer: Er verstand sehr wohl, was diese Anmerkung seines Herdengefährten bedeutete. ›Erfolg‹ sorgte dafür, dass eine gegebene Situation sich vertraut anfühlte, und mit der Vertrautheit kam unweigerlich Selbstzufriedenheit. Auf seinen Reisen hatte Nessus nur einen verschwindend geringen Bruchteil der Galaxis kennen gelernt, doch schon dieser winzige Teil des Ganzen versetzte ihn immer wieder in Erstaunen. Die Gw’oth waren lediglich das jüngste aller Wunder, die Nessus bereits gesehen und kennen gelernt hatte. Welche anderen Überraschungen, welche unvorstellbaren Gefahren, mochten noch auf dem Weg der Flotte liegen?
    Bei dieser beispiellosen Flucht vor der Explosion des galaktischen Zentrums mochte ›Selbstzufriedenheit‹ sie alle das Leben kosten.
    Wieder einmal wurde ohne jegliche Vorwarnung aus angenehmer Gesellschaft eine unerträgliche Mahnung, wie unangepasst, wie anders als der Rest von seinesgleichen Nessus doch geworden war. Er entschuldigte sich und nahm dann die nächstgelegene Stepperscheibe, die ihn in das tür- und fensterlose, winzige Gemach brachte, in dem Nessus lebte.
    Jetzt begriff er, dass Nike wirklich voll und ganz recht hatte. Diese Flucht vor der Explosion des galaktischen Zentrums stellte einen unbefristeten Ausnahmezustand dar. Zumindest konnte man über seine Dauer so wenig sagen, dass dieser feine Unterschied zwischen ›befristet‹ und ›unbefristet‹ sich ohnehin erst nach zahlreichen Generationen manifestieren würde.
    So entsetzt Nessus auch im Namen der Konkordanz war – er hatte die Köpfe zwischen die Vorderbeine geklemmt –, entging ihm doch nicht die Ironie dieser Situation. Genau die Furcht, die ihn jetzt zu lähmen drohte, gab ihm zugleich die Hoffnung, endlich dem Objekt seiner Zuneigung zu begegnen.

 
KAPITEL NEUN
     
     
    Wellen brandeten gegen die felsigen Klippen, die die Great North Bay säumten. Salziges Wasser sprühte hoch in die Luft. Zwischen den Wellenkämmen

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