Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler
würde er freiwillig im Vom Menschen Besiedelten Weltraum bleiben, solange das erforderlich wäre – solange es notwendig wäre, um die Menschen zu unterwandern und dafür zu sorgen, dass sie sich heillos zerstritten.
Die Aufgabe, die vor Nessus lag, würde ihm mehr abverlangen und ihn mehr überfordern als alles, woran er sich jemals versucht hatte. Das Zittern seiner Gliedmaßen wurde schlimmer und schlimmer; schon bald würden die Versagensängste seine Fähigkeit zur Selbstbeherrschung übersteigen. Ein letzter Stepperscheiben-Schritt brachte Nessus zurück zu dem kuscheligen Zufluchtsort, den seine Wohnung schon immer für ihn dargestellt hatte. Dann ergab er sich in das Entsetzen und krampfte sich zu einer so kleinen Kugel zusammen, dass er kaum atmen konnte.
Und doch zweifelte Nessus nicht einen Augenblick daran, dass er diese Aufgabe übernehmen würde. Die Sicherheit der Flotte stand auf dem Spiel.
Nike zu enttäuschen – und ihn auf diese Weise zu verlieren – war schlichtweg undenkbar.
KAPITEL DREIZEHN
Als schmale Sicheln warfen drei kleine Sonnen ihr Licht auf die gewaltige Betonfläche des Arcadia Spaceport. Lastschweber, die geradezu riesenhaft erschienen, wann immer sie lautlos die frachtergroßen Stepperscheiben ansteuerten oder ebenso lautlos darüber materialisierten, wirkten fast winzig, wenn man sie neben den gewaltigen Raumschiffen sah, zu denen sie ihre Last beförderten. Doch die endlose Prozession der Lastschweber, so beeindruckend sie auch war, transportierte nur die größten oder unhandlichsten Objekte. Das Be- und Entladen der meisten interplanetaren Handelsgüter erfolgte durch Teleportationsscheiben, die in die Decks der einzelnen Frachträume eingelassen waren.
Mit der Hand schützte Kirsten ihre Augen vor dem gleißenden Licht der Sonnen, während sie zuschaute, wie der Getreidetransporter auf das Landefeld herabsank. Seine Fracht – zahlreiche Biomülltanks – sollte hier gegen Getreidecontainer ausgetauscht werden. Der Durchmesser dieses kugelförmigen Schiffs betrug fast eintausend Fuß. Der spitz zulaufende Zylinder unmittelbar daneben war die Explorer, mit ihrer Länge von vielleicht einhundert Fuß nahm sie sich dagegen wie ein Spielzeug aus.
Kirsten stand am Rand einer ganzen Gruppe von Kolonisten. Vier von ihnen gehörten zu ihrer eigenen Familie; sie hatten sie begleitet, um sich von ihr zu verabschieden. Andere waren Freunde und Verwandte von Omar oder Eric. Es war Kirsten längst in Fleisch und Blut übergegangen, Leute anhand ihrer Kleidung und ihres Schmuckes einzuordnen: Die Frau dort war gebunden, die dort ebenfalls – und schwanger –, dort drüben stand eine junge Frau – vertraglich ungebunden, aber an einer Beziehung interessiert …
Kirsten spürte, dass jemand sie am Ärmel zog. Es war ihre Nichte Rebecca. Sie trug die gedämpften Farben der Jugend, die zugleich besagten, dass sie für eine Beziehung nicht zur Verfügung stand. »Was gibt’s denn, Schätzchen?«
»Ist es da auch wirklich ungefährlich für dich, Tante Kirsten?«
Nessus war noch nicht erschienen. Wäre ein Bürger in der Nähe gewesen, der eindeutig zu den Mitreisenden gehörte, so hätte nicht einmal eine Sechsjährige diese Frage gestellt. »Noch ungefährlicher könnte es gar nicht sein.« Doch die Miene der Kleinen, die Kirsten jetzt ernst anschaute, blieb skeptisch. »Frag doch deinen Vater!«
Carl (in den Pastelltönen eines gebundenen Erwachsenen – er trug einen Nachkommen-Ring mit vier Steinen) schloss Kirsten brüderlich in die Arme. »Deine Tante hat recht, Herzchen! Sie wird zurück sein, bevor du überhaupt merkst, dass sie fort war.«
Diesen letzten Teil hatte Carl eigenmächtig hinzugedichtet – und es wäre Kirsten deutlich lieber gewesen, wenn er das nicht getan hätte. Sie wusste nicht, wie lange sie fortbleiben würden. Es stimmte zwar: Diese ganze Reise war ihre Idee gewesen – doch die Argumentation, mit der sie sich dafür eingesetzt hatte, erschien sogar Kirsten äußerst schwach.
Sie wollte unbedingt nach Hearth kommen – und wenn sie dort erst einmal angekommen war, wollte sie eine Gelegenheit finden, heimlich auf das HerdenNetz zuzugreifen. Und falls sie keine Gelegenheit dazu fände, würde Kirsten eben selbst dafür sorgen, dass sich langfristig eine Gelegenheit ergab. Es hatte sie zutiefst erstaunt, als die Strategen dieser Mission sich bereit erklärt hatten, mit der Mannschaft zusammenzutreffen, um auch den kolonistenspezifischen
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