Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler
schmerzlich wurde, ohne einen Gefährten dort zu stehen.
Und die ganze Zeit über ging Nessus immer wieder diese Möglichkeit durch den Kopf, die ihm bereits in Nikes Büro eingefallen war – und sie nahm immer klarere Züge an.
Geistesabwesend schlenderte Nike durch sein Büro. Kundschafter sind ein wertvolles Gut, rief er sich ins Gedächtnis zurück. Sie sind äußerst selten, in jeder Generation lassen sich nur wenige finden. Warum, wenn nicht aufgrund dieser Seltenheit, sollte er – ein Vizeminister! – sich mit den Personalakten eines jeden einzelnen von ihnen befasst haben? Warum hätte er dafür sorgen sollen, einen von ihnen sogar persönlich kennen zu lernen? Jeder Kundschafter war von sich aus völlig abnormal, man musste ihn verhätscheln, bei Laune halten … Diese Kundschafter benötigten jede nur erdenkliche Art geschmackloser Ermutigung. Bei ihren jeweiligen Missionen waren sie ganz auf sich allein gestellt, lebten in völliger Isolation, fernab der Flotte.
Nur ein motivierter Freiwilliger war in der Lage, eine derartige Aufgabe zu erfüllen.
Wie sollte es auch anders sein? ›Zu mehreren ist man sicherer‹ war eine Weisheit, die schon in den Genen der Bürger verankert war, als die ›Vernunftbegabtheit‹ noch in weiter Ferne lag. In der Nähe der Herde lauerten geduldig zahllose Raubtiere, jederzeit bereit, sich auf jeden zu stürzen, der zu jung oder zu alt war, zu schwach oder zu unaufmerksam, um stets Schritt mit der Herde zu halten. Doch wenn niemand nach neuen Weiden Ausschau hielt? Dann konnte die ganze Herde verhungern!
Auf Hearth waren sämtliche Raubtiere schon seit langer Zeit ausgerottet, doch nun drohten andere, noch größere Gefahren. Alien-Rassen, die sich ihrerseits in der Raumfahrt ergingen, umzingelten die Flotte. Vor zahlreichen Generationen war die einst leuchtend gelbe Sonne von Hearth zu einem roten Riesen angeschwollen und hatte so diese geradezu epische Reise des Planeten erforderlich gemacht. Das galaktische Zentrum selbst war in einem Sturm todbringender Strahlung explodiert – einem Sturm von tausenden von Lichtjahren Dicke. Wenn niemand sich vorauswagte, wer sollte dann die Flotte vor neuen Gefahren warnen? Woher sollte die Konkordanz ohne Kundschafter wissen, wohin sie vor der Gefahr fliehen konnte?
Natürlich waren das alles nur vorgeschobene Gründe. Ein gemeinsamer ruhiger Spaziergang am Ufer, das Ballett, die anschließende Privatparty … Nike wusste genau, dass er sich Nessus gegenüber sehr weit vorgewagt hatte. Der Kundschafter mit dem wilden Blick und der zerzausten Mähne war ganz offensichtlich sehr von ihm angetan. Und völlig schamlos hatte Nike diese Verliebtheit ausgenutzt.
Jetzt hingegen schämte sich Nike dafür, auch wenn es natürlich recht spät dafür war – und Nessus hatte sehr drängend darum gebeten, ihn wiedersehen zu können. Nike hatte zugestimmt. Schon bald würde er Nessus bitten müssen, sich auf eine neue Mission zu begeben. Um der Sicherheit aller willen durfte keine andere Spezies jemals Hearth finden.
Was Nessus im vom Menschen besiedelten Weltraum würde tun müssen, war schlichtweg entsetzlich.
Ein Summer unterbrach Nikes düstere Gedanken. »Ja?«
»Herr Vizeminister, Ihr Besuch ist hier«, meldete sein Assistent über das Intercom.
»Führen Sie ihn herein.« Reflexartig strich sich Nike einige nicht ganz perfekt liegende Haare zurecht. Dann erschien sein Assistent auch schon in der Tür; neben ihm stand der Kundschafter. »Bitte, kommen Sie herein.«
Nessus platzte fast vor kaum verhohlenem Enthusiasmus. Zwei unordentlich geflochtene Zöpfe zeigten, dass er durchaus bereit war, sich sozialen Normen zu fügen. Kaum erkennbare Druckstellen ließen erahnen, dass der Kundschafter dort vor Kurzem noch Bänder getragen hatte. »Ich habe eine Antwort!«
Das klang nicht so, als hätte es irgendetwas mit den Gefühlen zu tun, zu denen Nike ihn in derart unangemessener Art und Weise noch ermutigt zu haben fürchtete. »Wie ich Sie beneide! Wie lautete denn die Frage?«, versuchte er Zeit zu gewinnen.
Aufgeregt trat Nessus von einem Vorderbein auf das andere. »Ich rede von einer Lösung für das Problem mit den Wildmenschen. Ich kann sie retten! Das heißt, ich weiß, wie ich sie auf andere Gedanken bringen kann.«
›Sie auf andere Gedanken bringen‹ klang nicht nach einer angemessenen Lösung für das Problem. »Sie können die ARM davon abhalten, uns zu finden?«
»Ja, ja!« Bekräftigend nickte Nessus
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