Ripley Under Ground
würde ihn da unten nicht finden, so bald jedenfalls nicht. Tom brachte es nicht fertig, jetzt näher hinzugehen und ihn anzusehen. Er wußte, Bernard war tot.
Ein seltsamer Mord war das gewesen.
Tom ging den abfallenden Weg zurück nach Salzburg. Er traf niemanden. Irgendwo in der Nähe der Stadt sah er einen Bus und winkte. Er hatte keine rechte Vorstellung, wo er eigentlich war, aber der Bus schien in die Stadt zu fahren.
Der Fahrer fragte, ob Tom an einen bestimmten Ort wollte; er nannte auch den Namen, aber Tom kannte ihn nicht.
»Weiter nach Salzburg«, sagte er. Der Fahrer nahm ihm ein paar Schilling ab.
Als Tom die Gegend erkannte, stieg er aus und ging zu Fuß weiter. Endlich langte er am Residenzplatz an und dann in der Getreidegasse. Bernards Reisetasche trug ei immer noch bei sich.
Da war der Goldene Hirsch, und Tom trat ein und empfand wohltuend den angenehmen Duft von Bohnerwachs, das Aroma aus Stille und Geborgenheit.
»Guten Abend, Sir«, sagte der Portier und gab ihm seinen Zimmerschlüssel.
24
Tom erwachte aus einem bedrückenden Traum. Er war in einem Haus mit acht Leuten, von denen er nur einen, Jeff Constant, kannte; alle machten sich über ihn lustig, weil ihm alles schiefging: er hatte sich verspätet, eine Rechnung konnte er nicht bezahlen, dazu trug er Shorts und hätte doch lange Hosen anhaben müssen, und eine wichtige Verabredung hatte er einfach vergessen. Die Depression, die der Traum hinterließ, hielt noch minutenlang an. Er setzte sich auf, streckte die Hand aus und berührte das starke polierte Holz des Nachttischchens neben seinem Bett.
Dann bestellte er einen Kaffee komplett, und schon der erste Schluck stärkte ihn. Er hatte noch geschwankt, ob er irgendwas mit Bernard unternehmen sollte – aber was? – oder Jeff und Ed anrufen und alles erzählen. Jeff war vielleicht besser, er konnte eher raten, aber vermutlich würde weder er noch Ed hier Rat wissen. Tom war nervös und unruhig – es war eine Unruhe, die ihn keinen Schritt weiterbrachte. Es lag einfach daran, daß er so allein war und Angst hatte: deshalb mußte er mit Jeff und Ed sprechen.
Er hatte keine Lust, in einem überfüllten, lärmenden Postamt auf die Verbindung zu warten; daher nahm er jetzt den Hörer auf und verlangte Jeffs Nummer in London. Dann wartete er, und die halbe Stunde Wartezeit war wie ein seltsamer, aber nicht unangenehmer Schwebezustand. Langsam wurde ihm klar, daß er Bernards Selbstmord gewollt oder gewünscht hatte; und doch konnte er sich – da er ja gewußt hatte, daß Bernard sich das Leben nehmen werde – kaum den Vorwurf machen, er habe ihm den Selbstmord aufgezwungen. Im Gegenteil, Tom hatte sich ihm mehrere Male ganz lebendig in den Weg gestellt; nur hatte Bernard vielleicht lieber einen Geist in ihm sehen wollen. Außerdem hatte sein Selbstmord nichts oder fast nichts zu tun mit Toms Überzeugung, daß er ihn getötet habe. Schließlich hatte sich Bernard doch schon in Toms Keller – sinnbildlich – erhängt, und zwar mehrere Tage bevor er Tom im Wald überfiel und begrub.
Tom wußte jetzt auch: er wollte Bernards Leiche haben, das war der Gedanke in seinem Unterbewußtsein gewesen. Er konnte die Leiche als Derwatts Leiche ausgeben. Dann blieb zwar die Frage offen, was aus Bernard Tufts geworden war, aber das konnte man später erledigen.
Das Telefon klingelte; und Tom sprang auf. Es war Jeff.
»Hier ist Tom – in Salzburg. Verstehst du mich?«
Die Verbindung war ausgezeichnet.
»Jeff – Bernard ist tot. Von einem Felsvorsprung ist er runtergesprungen.«
»Das kann doch – er hat sich umgebracht?«
»Ja. Ich hab´s gesehen. Was gibt´s in London?«
»Sie – also die Polizei sucht nach Derwatt. Sie wissen nicht, ob er in London ist oder – oder sonstwo.« Jeff stotterte.
»Wir müssen jetzt Schluß machen mit Derwatt«, sagte Tom. »Dies ist unsere Chance jetzt. Sag der Polizei kein Wort von Bernards Tod, hörst du?«
Jeff verstand ihn nicht.
Der nächste Teil des Dialogs war schwieriger, denn Tom konnte Jeff nicht erzählen, was er vorhatte. Er brachte ihm schließlich bei, daß er auf irgendeine Art Bernards Überreste aus Österreich heraus und vielleicht nach Frankreich bringen werde.
»Meinst du – wo ist er denn eigentlich? Liegt er immer noch da?«
»Kein Mensch hat ihn gesehen. Ich muß es so hinstellen«, erwiderte Tom ostentativ geduldig auf Jeffs halb ausgesprochene oder unverblümte Fragen, »als ob er sich verbrannt hat oder verbrannt werden wollte. Eine andere
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