Ripley Under Ground
einem lautlosgewandten Schritt draußen, obgleich er nach rückwärts getreten war.
Gut gekonnt, dachte Tom. Die Kellnerin in Schwarz hatte sich gar nicht nach ihm umgesehen; sie hatte irgendwas am Schanktisch rechts zu tun gehabt.
Tom ging quer über die Straße. Es war die Richtung, die von Bernards Café wegführte und auch von der Stadt weg. Das Café lag auf der Landseite, nicht auf der Wasserseite der Straße; er näherte sich jetzt dem Fluß mit den Uferböschungen. Nahe dem Fahrweg stand eine Telefonzelle mit Glaswänden, dahinter blieb er stehen und zündete sich eine französische Zigarette an.
Bernard trat aus dem Café, und Tom schob sich langsam um die Zelle herum, hielt sich aber dahinter. Bernard sah sich nach ihm um, doch die suchenden Augen blickten nur nervös, so als ob er eigentlich nicht damit rechnete, Tom zu finden. Er sah ihn auch nicht und ging mit gleichmäßig schnellen Schritten auf der Landseite die Straße hinunter und aus der Stadt hinaus. Tom folgte ihm.
Vor ihnen erhoben sich die Berge, bedeckt von dunkelgrünen Fichten und durchschnitten von der schmaler werdenden Salzach. Noch war die Straße gepflastert, doch weiter oben sah Tom, wo das Pflaster aufhörte und die Straße zum zweispurigen Sandweg wurde. Bernard schien überhaupt nicht müde zu werden – ob er geradenwegs auf einen Berg steigen wollte? Ein paarmal warf er einen Blick nach hinten, deshalb blieb Tom lieber außer Sicht, damit er ihn jedenfalls auf den ersten Blick nicht gleich sah. Aber er merkte an Bernards Verhalten, daß er Tom nicht gesehen hatte.
Sie waren jetzt sicher acht Kilometer von Salzburg entfernt. Tom blieb stehen, fuhr sich mit dem Taschentuch über die Stirn und lockerte den Schlips unter seinem Schal. Doch gleich ging er wieder weiter, denn Bernard war um eine Wegbiegung verschwunden, und Tom beeilte sich, ihn einzuholen, weil er wie in Salzburg fürchtete, Bernard würde irgendwo nach links oder rechts verschwinden, und er könne ihn dann nicht wiederfinden.
Jetzt sah er ihn, und im gleichen Augenblick blickte Bernard sich um. Tom blieb stehen und breitete weit die Arme aus, um besser gesehen zu werden. Doch Bernard wandte sich ebenso eilig ab, wie er es schon ein paarmal getan hatte, und Tom blieb mit dem Zweifel zurück: hatte ihn Bernard gesehen oder nicht? War es überhaupt wichtig? Tom ging weiter. Wieder verschwand Bernard um eine Wegbiegung, und wieder beschleunigte Tom seine Schritte. Als Tom an der Biegung angekommen war und der gerade Straßenteil vor ihm lag, war Bernard nicht zu sehen; Tom blieb also stehen und lauschte, falls Bernard in den Wald gegangen war. Nichts war zu hören als das Zwitschern der Vögel und von weither das Läuten von Kirchenglocken.
Jetzt hörte er links ein Knacken von Zweigen, das gleich wieder aufhörte. Tom ging einige Schritte in den Wald hinein und horchte.
»Bernard!« schrie er laut mit heiserer Stimme. Das mußte er gehört haben.
Lautlose Stille. Ob Bernard abwartete?
Dann kam, weit entfernt, ein dumpfer Aufschlag. Oder hatte er sich das nur eingebildet?
Tom ging tiefer in den Wald. Nach etwa zwanzig Metern kam er an einen Abhang, der zum Fluß hinunterführte, dahinter erhob sich ein hellgrauer Felsen von etwa zehn oder fünfzehn Meter Höhe, vielleicht auch mehr. Oben auf dem Felsrand stand Bernards Reisetasche, und Tom wußte sofort, was geschehen war. Er trat näher und horchte, doch selbst die Vögel gaben jetzt keinen Laut von sich. Tom stand auf dem Felsrand und blickte hinunter. Der Felsen fiel nicht ganz steil ab; Bernard mußte noch ein paar Schritte getan oder den steinigen Abhang hinuntergerutscht sein, bevor er sprang oder sich einfach fallen ließ.
»Bernard –?«
Tom trat nach links, wo man sicherer stand. Er hielt sich an einem kleinen Baum fest und faßte einen anderen ins Auge, falls er ausrutschte und irgend etwas pakken mußte. Dann blickte er nach unten und sah auf den Steinen eine graue längliche Gestalt liegen; den einen Arm hatte sie ausgestreckt. Es war ein Sturz wie aus dem vierten Stock eines Wohnhauses, und unten war nur Felsgestein. Bernard regte sich nicht. – Tom kehrte auf den festeren Boden zurück.
Er nahm die Reisetasche auf. Sie wog erbärmlich wenig. Es dauerte ein paar Augenblicke, bevor er überhaupt wieder denken konnte. Immer noch hielt er die Tasche in der Hand.
Ob jemand Bernard dort unten finden würde? Konnte man ihn vom Fluß aus sehen? Wer hielt sich überhaupt je auf dem Fluß auf? Auch ein Wanderer
Weitere Kostenlose Bücher