Ripley Under Ground
war vom fünften Oktober, aber er konnte es einfach jetzt nicht ansehen. Er haßte es, anderer Leute Briefe oder Privatpapiere zu lesen. Er erkannte jetzt auch zwei Briefbogen aus Belle Ombre, zusammengefaltet. Das hatte Bernard damals am ersten Abend, als er bei Tom war, geschrieben, und ein Blick zeigte Tom, daß es ein Bericht über die Derwatt-Fälschungen war, mit denen er vor sechs Jahren angefangen hatte. Tom wollte das nicht lesen, er zerriß die Bogen und warf die Fetzen in den Papierkorb. Dann packte er alles wieder in die Reisetasche, zog den Reißverschluß zu und stellte sie in den Schrank.
Benzin. Petroleum. Wo konnte man so was kaufen, um die Leiche zu verbrennen?
Er konnte sagen, das Benzin in seinem Wagen sei zu Ende gewesen. Alles heute zu erledigen, war natürlich unmöglich, das einzige Flugzeug nach Paris startete um zwei Uhr vierzig. Er hatte ein Rückflugticket. Er konnte natürlich auch mit dem Zug fahren, aber womöglich war die Gepäckkontrolle noch strenger. Man stelle sich vor, daß der Zollbeamte einen Koffer öffnet und ein Paket mit Asche darin findet.
Ob eine Leiche im Freien überhaupt ganz zu Asche verbrannte? Vielleicht brauchte man irgendeine Art Ofen, um die Hitze zu verstärken?
Tom hatte sein Hotel kurz vor Mittag verlassen. Auf dem gegenüberliegenden Salzachufer in der Schwarzstraße kaufte er einen kleinen schweinsledernen Koffer und ferner einige Zeitungen, die er in den Koffer legte. Der Tag war kühl und sonnig, und es wehte ein leichter Wind. Tom nahm einen Bus, der auf der neueren Seite der Stadt flußabwärts fuhr, in Richtung auf Maria Plain und Bergheim; das waren zwei Orte, die er auf der Karte nachgesehen hatte. Als er meinte, hier sei es richtig, stieg er aus und sah sich nach einer Tankstelle um. Es dauerte zwanzig Minuten, bis er eine gefunden hatte. Den neuen Koffer ließ er so lange im Wald stehen.
Der Tankwart war höflich und wollte ihn zu seinem Wagen bringen, aber Tom sagte nein, es sei nicht weit, und könnte er vielleicht nicht auch den Benzinbehälter mit kaufen, er wolle nicht noch einmal zurückkommen? Er erstand zehn Liter und sah sich nicht um, als er die Straße entlangschritt. Er holte den Koffer. Wenigstens war er hier auf dem richtigen Weg, aber es war sehr weit, und zweimal durchsuchte er im Wald ein Gebiet, das nicht das richtige war.
Endlich hatte er es gefunden: da lagen die grauen Felssteine. Er ließ den Koffer stehen und kletterte auf Umwegen nach unten. Rechts und links von Bernard hatte das Blut unregelmäßige kleine Rinnsale hinterlassen. Tom sah sich um. Er brauchte irgendeine Höhle, eine Nische, etwas Vorstehendes, damit die Hitze größer wurde. Und er würde eine Menge Holz brauchen. Er entsann sich an Bilder von indischen Leichenverbrennungen, da lagen die Körper ganz hoch aufgeschichtet, was sicher auch sehr viel Holz erforderte. Tom fand eine passende Stelle unterhalb des Felsvorsprungs, eine Art Einbuchtung in den Steinen. Die Leiche da hinunterzurollen konnte nicht schwer sein.
Als erstes nahm er Bernard den einzigen Ring ab, den er trug, einen goldenen Ring mit einer Art verblichenem Wappen. Er war im Begriff, ihn in den Wald zu werfen, hielt jedoch inne, weil ihm einfiel, er könnte mal irgendwann gefunden werden. Er steckte den Ring also ein, er wollte ihn später in die Salzach werfen. Dann die Taschen. Der Regenmantel enthielt nur ein paar österreichische Münzen, in der Jackettasche steckten Zigaretten, die er darin ließ, in der Hose fand sich die Brieftasche: den Inhalt – Geld und Papiere – nahm er heraus, knüllte alles zusammen und steckte es in die eigene Tasche. Das kam ins Feuer. Dann hob er den Körper etwas an und gab ihm einen leichten Stoß, so daß er die Steinhalde hinunterrollte. Tom kletterte nach unten und zog den Toten in die kleine Höhle, die er gefunden hatte.
Das war geschafft, und er war froh darüber. Jetzt begann er eifrig Holz zu sammeln. Mindestens sechsmal mußte er seine Ladung auf dem kleinen Platz abstellen, den er für die Aktion ausgesucht hatte. Bernards Kopf und Gesicht lagen im Dunkel, und er vermied es hinzusehen. Zuletzt raffte er ein paar Handvoll trockene Blätter und kleine Zweige zusammen, wie sie dort herumlagen, und warf das Geld und die Papiere aus Bernards Brieftasche dazwischen. Dann zog er die Leiche nach oben auf den Holzhaufen, schob mit angehaltenem Atem die Beine hoch und stieß mit dem Fuß den einen Arm nach. Der Körper war steif, ein Arm war ausgestreckt. Tom
Weitere Kostenlose Bücher