Ripley Under Ground
heißt Mittwoch. Der Graf kommt morgen in Mailand an. Können Sie morgen nach Mailand kommen?«
»Nein, ich kann morgen nicht nach Mailand kommen. Tut mir leid.« Tom hatte keine Lust, dem Mann – wer es auch war – mitzuteilen, daß der Graf bereits aufgefordert worden war, ihn – Tom – zu Hause zu besuchen, wenn er das nächstemal in Frankreich war. Schließlich konnte Reeves nicht erwarten, daß Tom jederzeit bereit war, alles im Stich zu lassen (ein paarmal hatte er das schon getan) und nach Hamburg oder Rom zu fliegen (obgleich ihm diese kleinen Reisen Spaß machten), sich zu stellen, als sei er zufällig dort, und dann seinen ›Gastgeber‹, wie Tom den Überbringer im stillen immer nannte, zu sich nach Villeperce einzuladen.
»Ich glaube nicht, daß da irgendwelche Schwierigkeiten entstehen werden«, sagte Tom. »Können Sie mir die Adresse des Grafen in Mailand sagen?«
»Grand Hotel«, sagte die Stimme kurz.
»Würden Sie Reeves dann bitte sagen, ich werde mich mit ihm in Verbindung setzen, wahrscheinlich morgen. Wo kann ich ihn erreichen?«
»Morgen vormittag im Grand Hotel in Mailand. Er nimmt heute abend einen Nachtzug nach Mailand. Sie wissen, er fliegt nicht gern.«
Nein, das wußte Tom nicht. Komisch, daß ein Mann wie Reeves nicht fliegen mochte. »Gut, ich rufe ihn an. Ich bin augenblicklich nicht in München, ich bin in Paris.«
»In Paris?« sagte die Stimme erstaunt. »Ich weiß, daß Reeves versucht hat, Sie in München im Hotel Vier Jahreszeiten anzurufen.«
»Bedauerlich.« Höflich legte Tom auf.
Die Zeiger seiner Armbanduhr rückten auf Mitternacht. Tom überlegte, was er Jeff Constant heute abend noch sagen sollte. Und was war mit Bernard zu tun? Eine fix und fertige Beruhigungsrede kam ihm in den Sinn, und er hätte auch morgen vor dem Abflug noch Zeit dafür, aber er fürchtete, Bernard würde sich noch mehr aufregen und noch abweisender reagieren, wenn jemand versuchte ihn zu beruhigen. Wenn Bernard zu Murchison gesagt hatte: ›Kaufen Sie keine Derwatts mehr‹, so klang das, als sei Bernard entschlossen, keine Derwatts mehr zu malen, und das war dann natürlich ein Schlag fürs Geschäft. Eine noch schlimmere Möglichkeit, die Bernard vielleicht gerade erwog, war ein Geständnis vor der Polizei oder vor einem oder mehreren Eigentümern gefälschter Derwatts.
In welchem Zustand mochte sich Bernard jetzt befinden, und was hatte er vor?
Tom beschloß, lieber gar nicht mit Bernard zu reden. Bernard wußte, daß der Vorschlag zu den Fälschungen von Tom gekommen war. Tom stellte sich im Bad unter die Brause und begann zu singen:
›Babbo non vuole Mamma nemmeno Come faremo A far all´ amor . . .‹ Die Hotelwände machten den Eindruck – was vielleicht gar nicht stimmte –, als seien sie schallsicher. Tom hatte das Liedchen lange nicht gesungen. Er freute sich, daß es ihm auf einmal eingefallen war; es war ein fröhliches kleines Lied; vielleicht brachte es ihm Glück.
Er zog seinen Pyjama an und wählte Jeffs Ateliernummer. Jeff meldete sich sofort.
»Hallo? Was gibt´s?«
»Ich habe mich heute abend mit Mr. M. unterhalten, und das ging alles tadellos. Er kommt morgen mit mir nach Frankreich. Das heißt, wir haben also noch etwas Zeit.«
»Ja. Und du willst versuchen, ihn zu überreden oder so was, ja?«
»Ja, irgend so etwas.«
»Soll ich noch eben zu dir ins Hotel kommen, Tom? Du bist sicher zu müde, um noch herzukommen, oder nicht?«
»Nein, das nicht, aber es ist nicht nötig. Und du triffst womöglich Mr. M. hier, das wollen wir doch lieber vermeiden.«
»Ja.«
»Hast du was von Bernard gehört?« fragte Tom.
»Nee – nichts.«
»Bitte sage ihm –« Tom bemühte sich um die richtigen Worte –, »sag ihm, daß du zufällig erfahren hast – du, nicht ich! –, daß Mr. M. noch ein paar Tage warten will, bevor er was wegen seines Bildes unternimmt. Meine Hauptsorge ist jetzt, daß Bernard den Mund hält. Willst du dich darum kümmern?«
»Warum redest du denn nicht mit Bernard?«
»Weil das genau das Falsche wäre«, sagte Tom gereizt. Manche Leute hatten keinen Schimmer von Psychologie.
»Tom, ich wollte dir noch danken, du warst wirklich fabelhaft heute«, sagte Jeff.
Tom lächelte, erfreut über die Begeisterung in Jeffs Stimme. »Also du kümmerst dich um Bernard. Ich ruf noch mal an, bevor ich abfliege.«
»Schön – ich denke, ich werde morgen den ganzen Vormittag hier im Atelier sein.«
Sie verabschiedeten sich.
Wenn er Jeff noch von Murchisons Absicht erzählte,
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