Ripley Under Ground
von Liberty. Manchmal auch Strickwolle. Sie strickt nämlich, und es freut sie, wenn die Wolle aus England kommt.«
»Und Ihre Verabredung für heute morgen haben Sie abgesagt?«
»Ja, ich habe sie auf Freitag morgen verschoben. Bei dem Mann in der Wohnung.«
Im Flughafen aßen sie ein recht gutes Lunch und tranken eine Flasche Claret dazu. Murchison bestand darauf zu bezahlen. Beim Essen erzählte er Tom von seinem Sohn; er war Chemiker und arbeitete in einem Laboratorium in Kalifornien. Er und seine Frau hatten gerade ihr erstes Baby bekommen, Murchison zeigte Tom ein Foto von dem kleinen Mädchen und lachte über sich selbst, weil er so ein vernarrter Großvater war, aber es war sein erstes Enkelkind. Es hieß Karin, nach der Großmutter mütterlicherseits. Auf Murchisons Fragen berichtete Tom, er habe sich in Frankreich niedergelassen, weil er vor drei Jahren eine Französin geheiratet habe. Murchison fragte ihn nicht geradezu, wie Tom sein Geld verdiene, aber er erkundigte sich, womit er die Zeit hinbringe.
»Oh, ich lese geschichtliche Bücher«, erwiderte Tom leichthin. »Ich lerne Deutsch – und für mein Französisch muß ich auch noch etwas tun. Und dann arbeite ich im Garten – ich habe einen ziemlich großen Garten in Villeperce. Und ich male«, fügte er hinzu. »Nur zum Spaß.«
Um drei waren sie in Orly. Tom fuhr mit dem kleinen Flughafenbus bis zur Garage, wo er seinen Wagen aus der Box nahm, und holte dann Murchison mit den Koffern nahe beim Taxistand ab. Die Sonne schien; es war weniger kalt als in England. Tom fuhr nach Fontainebleau, um Murchison das Schloß zu zeigen, das er, wie er sagte, fünfzehn Jahre nicht gesehen hatte. Gegen halb fünf waren sie in Villeperce.
»Hier kaufen wir fast alle unsere Lebensmittel«, sagte Tom und zeigte auf einen Laden links an der Hauptstraße des Dorfes.
»Wie nett. So ländlich und unverdorben«, sagte Murchison. Und als sie zu Toms Haus kamen, rief er: »Das ist ja fabelhaft! Wirklich herrlich!«
»Oh, das müßten Sie erst im Sommer sehen!« sagte Tom zurückhaltend.
Mme. Annette hatte den Wagen gehört und kam heraus, um die beiden zu begrüßen und mit dem Gepäck zu helfen; doch Murchison ließ es nicht zu, daß sie die schweren Stücke schleppte, sie durfte nur die kleinen Taschen mit den Flaschen und den Zigaretten tragen.
»Ist alles in Ordnung, Mme. Annette?« fragte Tom.
»Ja, alles. Sogar der Klempner ist gekommen und hat das WC heilgemacht.«
Ja, das eine WC war undicht gewesen, daran entsann sich Tom.
Tom und Mme. Annette brachten Murchison nach oben in sein Zimmer, das daneben ein Bad hatte. Es war eigentlich Heloises Bad; ihr Zimmer lag auf der anderen Seite. Tom erklärte, seine Frau sei augenblicklich in Griechenland, bei Freunden. Er ließ jetzt Murchison allein, damit er sich die Hände waschen und das Nötigste auspacken konnte, und sagte, er sei unten im Wohnzimmer zu finden. Murchison war schon dabei, sich interessiert einige Zeichnungen anzusehen, die an der Wand hingen.
Tom ging hinunter und bat Mme. Annette, ihm Tee zu machen. Er überreichte ihr als Geschenk eine Flasche Eau de Cologne, die er im Flughafen erstanden hatte.
»Oh, M. Tome, comme vous êtes gentil!«
Tom lächelte. Immer hatte er bei Mme. Annette ein dankbares Gefühl für ihre Dankbarkeit. »Haben wir denn einen schönen Tournedos heute abend?«
» Ah oui! Und zum Nachtisch mousse au chocolat .«
Tom trat ins Wohnzimmer. Mme. Annette hatte Blumen hingestellt und die Heizung höher geschaltet. Ein Kamin war auch da, und Tom liebte ein offenes Feuer, aber er hatte das Gefühl, man müsse es dauernd beobachten; oder vielleicht faszinierte ihn einfach das Feuer so, daß er sich nicht losreißen konnte; deshalb zündete er es jetzt nicht an. Er betrachtete den ›Mann im Sessel‹ über dem Kamin und wiegte sich auf den Absätzen, tief zufrieden mit dem vertrauten Bild und mit seiner ausgezeichneten Qualität. Bernard war wirklich gut. Er hatte bloß ein paar Fehler in den Perioden gemacht. Ach, zum Satan mit den Perioden. Im Grunde hätte natürlich den ›Roten Stühlen‹, einem echten Derwatt, der Ehrenplatz über dem Kamin gebührt; und es war sicher typisch für ihn, daß er statt dessen der Fälschung den schönsten Platz eingeräumt hatte. Heloise hatte keine Ahnung, daß der ›Mann im Sessel‹ nicht echt war; sie wußte überhaupt nichts von den Fälschungen. Sie war an Malerei und Bildern nur oberflächlich interessiert. Wenn ihr an etwas viel lag, dann waren
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