Ripley Under Ground
dem Namen William Tenyck ein, mit Ehefrau Mireille. Dann rief er noch einmal bei Reeves an und hinterließ seinen neuen Namen, die Adresse und die Telefonnummer des Hotels, PRO 7221, bei dem Mann mit dem deutschen Akzent, der häufig bei Reeves das Telefon bediente.
Nachmittags ging er mit Heloise in einen Film, und um sechs waren sie wieder im Hotel. Keine Nachricht von Reeves. Auf Toms Anregung rief Heloise dann Mme. Annette an, und auch Tom sprach ein paar Worte mit ihr.
»Ja, wir sind in Paris«, sagte er. »Entschuldigen Sie, ich vergaß, Ihnen eine Nachricht zu hinterlassen . . . ja, Mme. Heloise kommt vielleicht morgen abend nach Hause, aber genau weiß ich es noch nicht.« Er gab den Hörer an Heloise weiter.
In Belle Ombre war Bernard also bestimmt nicht aufgetaucht, sonst hätte Mme. Annette das erwähnt.
Sie gingen früh zu Bett. Umsonst hatte Tom Heloise zu überreden versucht, die dummen Heftpflasterstreifen an seinem Hinterkopf wegzuschneiden; sie hatte sogar noch eine lavendelfarbene antiseptische Flüssigkeit gekauft, mit der sie den Verband tränkte. Seinen Schal hatte sie im Ritz noch ausgewaschen, und morgens war er schon trocken gewesen. Kurz vor Mitternacht klingelte das Telefon. Reeves teilte Tom mit, morgen werde jemand kommen und ihm das Nötige bringen. Morgen, Montag abend, Lufthansa Flug Nr. 311, Ankunft in Orly um 0.15 Uhr.
»Wie heißt er?« fragte Tom.
»Es ist eine Frau, sie heißt Gerda Schneider. Sie weiß, wie du aussiehst.«
»Prima«, sagte Tom erfreut. Das war wirklich prompte Arbeit; Reeves hatte ja noch nicht mal seine Fotos erhalten. »Willst du morgen abend mit mir nach Orly kommen?« fragte er Heloise, als er den Hörer aufgelegt hatte.
»Ich fahre dich hin, ich will sicher sein, daß alles in Ordnung ist.«
Tom sagte ihr, der Kombiwagen stehe am Bahnhof Melun. Vielleicht konnte sie mit André, einem Gärtner, der manchmal bei ihnen arbeitete, hinfahren und ihn holen.
Sie beschlossen, noch eine Nacht im Ambassadeur zu bleiben für den Fall, daß mit dem Paß am Montag abend etwas nicht klappte. Tom dachte daran, Dienstag in den frühen Morgenstunden ein Flugzeug nach Griechenland zu nehmen, aber das konnte erst entschieden werden, wenn er den Paß in der Hand hatte. Auch mit der Unterschrift auf dem Paß mußte er sich noch vertraut machen. Und das alles, um Bernard das Leben zu retten. Gern hätte er seine Gedanken und Gefühle Heloise mitgeteilt, aber er konnte ihr das alles wohl kaum begreiflich machen. Ob sie es verstände, wenn er ihr von den Fälschungen berichtete? Ja – intellektuell vielleicht, wenn man es so ausdrücken konnte. Aber sie würde sicher sagen: »Warum mußt du das alles übernehmen? Warum können nicht Jeff und Ed sich um ihren Freund kümmern – er ist schließlich ihr Versorger?« Nein, er fing gar nicht erst an mit dem Erzählen. Es war besser, er blieb allein, nackt und bloß sozusagen, bereit zum Handeln, bar jeder Teilnahme und liebevoller Gedanken von daheim.
Es ging dann auch alles gut. Sie kamen Montag um Mitternacht in Orly an, die Maschine war pünktlich, und Gerda Schneider – oder eine Frau, die unter diesem Namen reiste – sprach Tom am oberen Ausgang an, wo er wartete.
»Tom Ripley?« fragte sie lächelnd.
»Ja. Frau Schneider?«
Sie war blond, etwa dreißig und sah nett und intelligent aus, ganz ohne Make-up, als habe sie sich eben mit kaltem Wasser gewaschen und schnell angezogen. »Ja. Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen«, sagte sie auf Englisch. »Ich habe so viel von Ihnen gehört.«
Tom mußte lachen über ihren höflich-belustigten Ton.
Er war erstaunt, daß Reeves über so interessante Leute für seine Arbeit verfügte. »Meine Frau ist mit hier, sie wartet unten. Bleiben Sie über Nacht in Paris?«
Das bejahte sie. Sogar ein Hotelzimmer hatte sie gebucht, im Pont-Royal in der Rue Montalembert. Tom machte sie mit Heloise bekannt und holte dann den Wagen, während die beiden in der Nähe der Stelle auf ihn warteten, wo er damals Murchisons Koffer hingestellt hatte. Sie fuhren in die Stadt und waren am Pont-Royal angelangt, als Frau Schneider sagte:
»So, jetzt werde ich Ihnen das Päckchen geben.«
Sie saßen noch im Wagen. Gerda Schneider öffnete ihre große Handtasche und entnahm ihr einen dicken weißen Umschlag.
Tom hatte den Wagen angehalten. Es war ziemlich dunkel. Er nahm den grünen amerikanischen Paß aus dem Umschlag und steckte ihn in die Jackentasche. Der Paß war anscheinend in neutrales Papier eingewickelt
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