Ripley Under Ground
paar amerikanische Reiseschecks hatte er noch.
Nach viel aufgeregtem Hin und Her und einer Aufzählung sämtlicher Schwierigkeiten glättete das Geld schließlich alle Wogen. Tom Fahrt, festgezurrt an einer verschlief einen Teil der Holzbank in der kleinen Schiffskajüte. Es war fünf Uhr früh, als sie in Piräus anlegten. Antinou, der Schiffer, war ganz benommen vor Freude oder Geld oder Müdigkeit; vielleicht war es auch der Ouzo, Tom wußte es nicht. Antinou erzählte ihm, er habe Freunde in Piräus, die sich sehr freuen würden, ihn zu sehen.
Der Morgen war beißend kalt. Mit Hilfe beträchtlicher Geldzusagen überredete Tom einen Taxifahrer, ihn bis zur Tür des Hotels Grande Bretagne auf dem Platz der Verfassung in Athen zu fahren. Er bekam ein Zimmer, wenn auch nicht das gleiche wie vorher. Das hatten sie noch nicht fertig saubergemacht, erzählte ihm der Nachtportier ganz aufrichtig. Tom schrieb die Telefonnummer von Jeffs Fotoatelier auf einen Zettel und gab ihn dem Portier mit der Bitte, dieses Gespräch nach London anzumelden.
Dann ging er nach oben in sein Zimmer, badete und wartete dabei auf das Klingeln des Telefons, das erst gegen acht Uhr früh durchkam.
»Hier ist Tom, in Athen«, sagte er. Er war im Bett fast eingeschlafen.
»In Athen –?«
»Ja. Habt ihr was von Bernard gehört?«
»Nein, gar nichts. Was machst du –«
»Ich komme nach London. Heute abend, meine ich. Halt den Make-up-Kram bereit, ja?«
18
Am Donnerstag nachmittag in Athen hatte Tom plötzlich den Einfall, einen grünen Regenmantel zu kaufen. Es war ein Mantel, den er für sich selber niemals gekauft hätte – das heißt, Tom Ripley hätte nicht daran gedacht, so etwas zu tragen. Der Mantel hatte überall Klappen und Riegel, die manchmal durch doppelte Ringe gezogen oder mit Schnallen versehen waren, als ob der Mantel dazu dienen sollte, eine beträchtliche Menge an Taschen, Feldflaschen, Patronen, ein Eßgerät, ein Bajonett und vielleicht auch noch einen Gummiknüppel aufzunehmen. Es war ein geschmackloses Kleidungsstück, und Tom hoffte, es werde ihm bei der Einreise in London als Tarnung dienlich sein – falls einer der Immigrationsbeamten sich vielleicht erinnerte, wie Tom Ripley ausgesehen hatte. Er verlegte auch seinen Scheitel von der linken auf die rechte Seite, obwohl man den Scheitel auf dem Paßbild gar nicht sah. Zum Glück trug sein Koffer keine Initialen. Ein Problem war jetzt das Geld, denn er hatte nur Reiseschecks auf den Namen Ripley, die er in London nicht so sorglos ausgeben konnte, wie er es bei dem griechischen Bootseigentümer getan hatte; aber er hatte noch genügend Drachmen (gekauft mit französischen Francs von Heloise) für ein Flugticket nach London, und dort konnten Jeff und Ed ihm weiterhelfen. Alle Papiere, die ihn identifizieren konnten, nahm er aus seiner Brieftasche und steckte sie in die hintere Hosentasche, die er zuknöpfte. Im Grunde rechnete er gar nicht mit einer Durchsuchung.
Die Immigrationskontrolle im Flughafen Heathrow war schnell überstanden. »Wie lange wollen Sie bleiben?« – »Wahrscheinlich nicht länger als vier Tage.« – »Sie sind geschäftlich hier?« – »Ja.« – »Wo wohnen Sie?« – »Im Hotel Londoner, Welbeck Street.«
Mit dem Bus fuhr er in die Stadt, ging in eine Telefonzelle und rief Jeff an. Es war jetzt 22.15 Uhr. Eine Frauenstimme meldete sich.
»Ist Mr. Constant wohl da?« fragte Tom. »Oder Mr.
Banbury?«
»Nein, leider nicht, sie sind beide aus. Wer ist da, bit te?«
»Robert – Robert Mackay.« Keinerlei Reaktion, denn Tom hatte Jeff den neuen Namen noch nicht genannt.
Aber er wußte, die beiden mußten jemand im Atelier zurückgelassen haben, der mit im Komplott war und auf Tom Ripley wartete. »Ist das Cynthia?«
»Ja-a«, sagte die hohe Stimme.
Nun, dann wollte er es wagen. »Hier ist Tom, Cynthia«, sagte er. »Wann kommt Jeff zurück?« »O Tom! Ich war nicht ganz sicher, daß du es warst.
Sie werden in einer halben Stunde wieder hier sein.
Kannst du herkommen?«
Tom nahm ein Taxi nach St. John´s Wood. Cynthia öffnete die Tür. »Hallo, Tom.«
Tom hatte fast vergessen, wie sie aussah: mittelgroß, mit glattem braunem Haar, das bis auf die Schultern hing, und großen grauen Augen. Sie sah schmaler aus, als er sie in der Erinnerung hatte. Und sie war immerhin beinahe dreißig. Etwas nervös schien sie zu sein. »Hast du Bernard gesprochen?« fragte sie.
»Ja, aber ich habe keine Ahnung, wo er hingefahren ist.« Tom lächelte. Jeff
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