Ripley Under Ground
sie wolle ihn nicht sehen. Vielleicht hat er auch übertrieben, ich weiß es nicht.« »Wir auch nicht«, sagte Ed und schob das glatte helle Haar zurück. Er ging hinüber und machte sich noch einen Drink zurecht.
»Ich dachte, Cynthia hätte einen Freund«, meinte Tom.
»Och ja, immer noch derselbe«, sagte Ed gelangweilt aus der Küche.
»Stephen Soundso heißt er«, warf Jeff ein. »Er hat sie nicht gerade wild entflammt, weißt du.«
»Er ist auch nicht der Typ eines Flammenwerfers.« Ed lachte.
»Sie hat immer noch die gleiche Stellung«, fuhr Jeff fort. »Rechte Hand bei irgendeinem hohen Tier. Gut bezahlt.«
»Sie ist versorgt«, sagte Ed in abschließendem Ton.
»Jetzt sag bloß mal, Tom. Wo ist Bernard, und was sollte das heißen, daß er glauben soll, du seist tot?« Tom erklärte es ihnen in kurzen Worten. Das Begräbnis beschrieb er so komisch, daß Jeff und Ed begeistert waren; eine morbide Spannung hielt sie gepackt und brachte sie gleichzeitig zum Lachen. »Nur ein kleiner Schlag auf den Kopf«, berichtete Tom. Er hatte Heloises Schere gestohlen und in der Toilette des Flugzeugs nach Athen den Heftpflasterstreifen abgeschnitten.
»Komm her, ich muß dich anfassen!« sagte Ed und packte ihn an der Schulter. »Dieser Mann ist dem Grabe entstiegen, Jeff!«
»Mehr, als wir fertigbringen. Mehr als ich jedenfalls«, sagte Jeff.
Tom zog jetzt sein Jackett aus und setzte sich bequem auf Jeffs rostfarbene Couch. »Ihr habt es sicher schon erraten, daß Murchison tot ist, nicht wahr?« fragte er. »Daran gedacht haben wir schon«, erwiderte Jeff ernst. »Was ist passiert?«
»Ich habe ihn umgebracht. Bei mir im Keller – mit einer Weinflasche.« Ausgerechnet in diesem Moment fiel es Tom ein, daß er Cynthia Blumen schicken könnte – nein: müßte. Sie konnte sie in den Papierkorb oder in den Kamin werfen, wenn sie Lust hatte. Er machte sich Vorwürfe, daß er unhöflich zu ihr gewesen war. Jeff und Ed saßen fassungslos da und konnten kaum Worte finden. »Und wo ist die Leiche?« fragte Jeff dann. »Unten auf dem Grund von irgendeinem Fluß bei mir in der Nähe. Ich glaube, die Loing.« Ob er ihnen noch erzählen sollte, daß Bernard ihm geholfen hatte? Nein – wozu . . . Er rieb sich die Stirn. Er war müde und stützte sich auf einen Ellbogen.
»Herrgott noch mal«, sagte Ed. »Und dann hast du seine Sachen nach Orly gebracht?«
»Ja, hab ich.«
»Aber du hast doch eine Haushälterin –?« fragte Jeff. »Ja. Ich mußte das alles heimlich machen, damit sie nichts merkte. Früh am Morgen und so.«
»Aber du hast uns doch von der Grube im Wald erzählt, die Bernard dann benutzte«, wandte Ed ein. »Ja, ich – erst habe ich Murchison da im Wald vergraben, und dann kam die Polizei zur Untersuchung, und deshalb dachte ich, bevor sie sich den Wald vornehmen, müßte ich – müßte ich ihn da – rausholen, und da –« Tom machte eine vage fallende Bewegung. Nein, er sagte besser nichts von Bernards Mithilfe. Wenn Bernard vorhatte – aber was hatte er vor: Buße zu tun? Was im mer es war: je weniger er belastet war, um so besser. »Mein Gott«, sagte Ed. »Mein Gott, Tom – kannst du denn seiner Frau überhaupt gegenübertreten?« »Sch-sch«, machte Jeff schnell und lächelte nervös. »Klar«, sagte Tom. »Tun mußte ich es, denn Murchison war mir auf die Sprünge gekommen, da unten im Keller. Er merkte auf einmal, daß ich in London Derwatts Rolle gespielt hatte. Die ganze Sache wäre in diesem Moment aufgeflogen, wenn ich ihn nicht erledigt hätte.
Verstanden?« Tom ging im Zimmer umher und versuchte die Müdigkeit abzuschütteln.
Sie hatten ihn verstanden und waren beeindruckt. Und gleichzeitig spürte Tom, wie ihre Gedanken anfingen zu arbeiten: Tom Ripley hatte doch schon mal jemand umgebracht – diesen Dickie Greenleaf, nicht wahr? Und vielleicht auch den anderen Mann, Freddie Soundso. Das war zwar nur ein Verdacht, aber stimmte es nicht? Wie schwer wog das Umbringen bei Tom? Und wieviel Dankbarkeit erwartete er jetzt von seiten der Firma Derwatt Ltd.? Dankbarkeit, Loyalität – oder Geld? Lief es vielleicht darauf hinaus? Tom war immer noch so idealistisch, daß er das nicht glauben wollte. So waren sie hoffentlich nicht, Jeff Constant und Ed Banbury: sie sollten aus besserem Stoff gemacht sein. Sie waren immerhin Freunde des großen Derwatt gewesen, seine besten Freunde sogar. Und wie groß war Derwatt? Dieser Frage wich Tom aus. – Wie groß war Bernard? Nun, immerhin ein großer. Maler, wenn
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