Ripley Under Water
offenen Hemdkragens. Tom rückte den Stuhl einen halben Meter nach rechts: neues Blatt, selbes Motiv. Ed rutschte herum, trank seinen Kaffee, doch das machte nichts. Tom zeichnete etwa zwanzig Minuten lang, dann dankte er Ed für dessen Mitarbeit.
»Mitarbeit!« lachte Ed. »Ich habe vor mich hin geträumt.«
Madame Annette hatte frischen Kaffee gebracht und sich inzwischen sicher auf ihr Zimmer zurückgezogen.
»Ich dachte«, begann Tom, »wir nähern uns dem Grundstück der Pritchards von der andern, den Grais’ abgewandten Seite, steigen aus, schaffen das Ding zu Fuß über den Rasen zum Teich und werfen es einfach ins Wasser. Das Bündel wiegt ja nichts. Na gut…«
»Keine fünfzehn Kilo, denke ich«, sagte Ed.
»Ungefähr«, murmelte Tom. »Nun, wenn Pritchard und Frau zu Hause sind, könnten sie etwas hören – das Wohnzimmer hat ein Fenster zum Garten hin, mehrere sogar, glaube ich. Dann gehen wir wieder… Soll er sich doch beschweren!« fuhr er verwegen fort. »Soll er die Polizei anrufen und seine Geschichte erzählen!«
Kurzes Schweigen.
»Denkst du, das würde er tun?«
Tom zuckte die Achseln. »Wer weiß schon, was ein Irrer fertigbringt?« Er klang resigniert.
Ed stand auf. »Wollen wir?«
Tom schlug die Blätter des Zeichenblocks zurück und legte ihn samt Stift auf den Couchtisch. Aus der Garderobe in der Diele nahm er eine Jacke, aus einer Schublade des Tisches dort seine Brieftasche – nur für den Fall, daß er in eine Polizeikontrolle geriete. Die Vorstellung amüsierte ihn: Er fuhr nie ohne Führerschein, der selbstverständlich in seiner Brieftasche steckte. Ein Beamter könnte heute nacht seine Wagenpapiere überprüfen, ohne das Bündel hinten im Wagen auffällig zu finden, das auf den ersten Blick aussah wie eine transportgerecht verschnürte Teppichrolle.
Ed kam herunter; auch er trug eine (dunkle) Jacke, dazu Sportschuhe. »Also dann, Tom.«
Tom löschte hier und dort das Licht, sie gingen zur Haustür hinaus, er schloß hinter ihnen ab, zog die großen Torflügel auf (Ed half ihm dabei) und dann die hohe Stahltür der Garage. Schon möglich, daß hinten im Haus bei Madame Annette noch Licht brannte – Tom wußte das nicht, und es war ihm egal: Nicht weiter ungewöhnlich, spätabends mit seinem Gast wegzufahren, zu einer Bar in Fontainebleau zum Beispiel. Sie stiegen ein. Beide ließen ihr Fenster einen Spaltbreit herunter, obwohl Tom keinerlei muffigen Geruch bemerkte. Er rollte durch Belle Ombres Tor und fuhr nach links.
Villeperce durchquerte er im Süden und bog bei jeder Gelegenheit nach Norden ab – welche Straße er nahm, war ihm wie auch immer egal, solange die Richtung halbwegs stimmte.
»Du kennst die Straßen hier alle.« Halb Frage, halb Feststellung.
»Ach, neun von zehn in etwa. Nachts übersieht man die Seitenstraßen leicht, wenn sie nicht ausgeschildert sind.« Tom bog rechts ab, folgte der Straße einen Kilometer bis zu einem Schild, das rechts nach VILLEPERCE und anderen Dörfern wies, und bog abermals rechts ab.
Diese Straße kannte er; sie führte zum Haus der Pritchards, weiter zu dem leeren Haus dahinter und dann zu dem der Grais’.
»Ich glaube, das ist sie«, sagte er. »Nun zu meinem Plan…« Tom fuhr langsamer, ließ ein Auto überholen. »Wir bringen das Ding zu Fuß hin – wenigstens dreißig Meter weit, damit sie den Wagen nicht hören.« Kurz vor halb eins, nach der Uhr auf dem Armaturenbrett. Tom fuhr ganz langsam, nur mit Standlicht.
»Das da?« fragte Ed. »Das weiße Haus rechts?«
»Ja.« Tom sah Licht im Erdgeschoß, oben brannte aber nur eine Lampe. »Eine Party hoffentlich!« Er lächelte. »Aber das bezweifle ich. Werde dort hinten bei den Bäumen parken. Hoffen wir das Beste.« Er setzte zurück, schaltete das Licht aus. Der Wagen stand kurz vor einer Rechtskurve; dahinter ging die Straße in einen Feldweg über, den meistens nur Bauern benutzten. Natürlich konnten andere Autos noch vorbei, obwohl Tom nicht ganz rechts geparkt hatte – er wollte nicht im Straßengraben landen, auch wenn der nicht tief war. »Gehen wir’s an.« Tom nahm die Taschenlampe, die er zwischen ihnen auf den Sitz gelegt hatte.
Sie öffneten die Heckklappe; Tom griff unter Murchisons Unterschenkeln in die erste Seilwindung und zog. Das Ding war nicht schwer. Schon wollte Ed in die nächsten Windungen fassen, als Tom sagte: »Warte.«
Sie hielten inne und lauschten.
»Dachte, ich hätte was gehört. Aber da war wohl nichts«, sagte er.
Dann
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