Ripley Under Water
wollte er bei Ed anklopfen, als die Tür aufging und Ed ihn zaghaft anlächelte.
»Hallo, Tom. Habe wunderbar geschlafen! Hoffentlich hat’s dir nichts ausgemacht. Hier ist es so schön still!«
»Aber durchaus nicht. Einen Tee vielleicht? Komm mit nach unten.« Sie tranken ihren Tee und sahen zwei Sprinklern im Garten zu; Tom hatte das Wasser aufgedreht. Und er hatte beschlossen, den Anruf der Polizei nicht zu erwähnen. Was sollte das nützen? Zudem könnte es Ed noch mehr verunsichern.
»Ich dachte gerade«, begann Tom, »wir könnten – nur um die Spannung aus dem Nachmittag zu nehmen – ein Paar aus dem Dorf auf einen apéritif herbitten. Agnès und Antoine Grais.«
»Das wäre schön«, sagte Ed.
»Ich rufe sie an. Die beiden sind nett. Wohnen beinah um die Ecke. Er ist Architekt.« Tom ging zum Telefon und wählte in der Erwartung, nein, in der Hoffnung, mit Informationen über Pritchard überschüttet zu werden, sobald Agnès seine Stimme hörte. Aber nein: »Ich wollte fragen, ob Sie und Ihr Mann – wenn er da ist, was ich hoffe – auf ein Glas herkommen könnten. So gegen sieben? Ein alter Freund aus England ist übers Wochenende hier.«
»Ach, Tomme, wie nett! Ja, Antoine ist jetzt zu Hause. Doch warum kommen Sie beide nicht zu uns? Ihr Freund könnte mal etwas anderes sehen. Wie heißt er?«
»Edward Banbury. Ed. Gut, Agnès, meine Liebe: Mit Vergnügen. Und wann?«
»Oh, halb sieben – ist das zu früh? Nach dem Essen wollen die Kinder etwas à la télé sehen.«
Tom sagte, das passe.
»Wir gehen zu ihnen«, bemerkte er lächelnd zu Ed. »Sie wohnen in einem runden Haus, sieht aus wie ein Turm. Überall Kletterrosen. Nur zwei Häuser weiter von den verfluchten… Pritchards.« Das letzte Wort flüsterte Tom, mit einem kurzen Blick zur Tür, die zur Küche führte – und tatsächlich kam in diesem Moment Madame Annette herein und fragte, ob die Messieurs mehr Tee wollten. »Ich glaube nicht, Madame, danke. Oder du noch, Ed?«
»Nein, danke, wirklich nicht.«
»Ach, Madame Annette: Um halb sieben fahren wir zu den Grais’. Werden wohl gegen halb acht, Viertel vor acht zurück sein. Das Essen dann also etwa Viertel nach?«
»Sehr wohl, Monsieur Tomme. «
»Und zu den Hummern einen guten Weißwein – vielleicht einen Montrachet, ja?«
»Mit Vergnügen«, erwiderte Madame Annette.
»Schlips und Jackett?« fragte Ed.
»Nicht nötig. Antoine ist wahrscheinlich schon in Jeans oder gar Shorts. Er ist heute aus Paris gekommen.«
Ed stand auf, leerte seine Tasse und sah aus dem Fenster, zur Garage hinüber. Sein Blick streifte kurz Tom, wanderte dann weiter. Tom wußte, woran er dachte: Was sollten sie mit dem Bündel anfangen? Und er war froh, daß Ed nicht fragte, denn eine Antwort hatte er auch nicht parat.
Tom ging nach oben, gefolgt von Ed, und zog sich um: schwarze Baumwollhosen, gelbes Hemd. Den Ring steckte er in die rechte Hosentasche; irgendwie war ihm wohler, wenn er ihn bei sich trug. Dann ging er hinaus zur Garage, warf einen Blick auf den braunen Renault, wandte sich dann dem roten Mercedes in der Einfahrt zu, so als wisse er nicht, welchen Wagen er nehmen sollte – nur für den Fall, daß Madame Annette am Küchenfenster stand. Er trat in die geschlossene Garagenhälfte und versicherte sich, daß das Segeltuchbündel immer noch hinten im Wagen lag.
Sollte die Polizei doch noch kommen, während er weg war, dann würde er später erklären, das Bündel müsse jemand nachts ohne sein Wissen dort deponiert haben. Ob Pritchard auftauchen, die anderen Seile und so weiter bemerken würde? Kaum anzunehmen. Aber von alldem wollte er Ed nichts erzählen, sonst würde der andere noch nervöser. Tom mußte einfach darauf setzen, daß Ed nicht dabeisein würde – oder seine Lüge begreifen und mitspielen, falls die Polizei sie beide zugleich anträfe.
Ed war schon unten; sie fuhren los. Es war Zeit.
Die Grais’ zeigten sich gastfreundlich und gespannt auf den neuen Gast, Ed Banbury, einen Journalisten aus London. Die beiden Jugendlichen starrten ihn an; anscheinend amüsierte sie sein Akzent. Antoine trug Shorts, wie Tom vorhergesagt hatte – seine braungebrannten Beine mit den muskulösen Waden wirkten, als würden sie niemals müde und könnten ihn etwa in einer Marathonwanderung rund um die Grenzen Frankreichs tragen. An diesem Abend brauchte er seine Beine jedoch nur für den Weg zwischen Küche und Wohnzimmer.
»Sie arbeiten für eine Zeitung, Monsieur Banbury?« fragte
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