Ripley Under Water
wiederholte der andere gestikulierend. »Die Strömung. Die nagt – an den Kleidern, am Fleisch…«
»Jean!« Der Blonde winkte rasch ab, als wolle er sagen: Das reicht. Nicht in Gegenwart einer Dame.
Kurze Stille, dann fuhr Jean fort: »Wissen Sie noch, Monsieur Ripley, ob Sie damals an jenem Tag Monsieur Murchison durch die Tür in die Abflughalle gehen sahen?«
Allerdings wußte er das noch: »Ich habe an dem Tag gar nicht erst geparkt, nur am Bordstein gehalten und Monsieur Murchison mit dem Gepäck geholfen – und mit dem gut verpackten Bild. Dann bin ich weitergefahren. Er stand auf dem Gehweg vor der Tür zur Abflughalle. Seine paar Sachen hätte er mühelos allein tragen können. Also habe ich leider nicht gesehen, wie er die Abflughalle betrat.«
Die Polizisten berieten sich erneut leise murmelnd und blickten in ihre Aufzeichnungen.
Vermutlich vergewisserten sie sich, daß er der Polizei vor Jahren gesagt hatte, er habe Murchison samt dessen Gepäck auf dem Gehweg vor Orlys Abflughalle stehengelassen. Tom würde nicht noch darauf hinweisen, daß sich seine gleichlautende Aussage bestimmt seit damals bei den Akten befinde. Noch würde er erwähnen, daß es doch merkwürdig wäre, wenn jemand Murchison hierher zurückgebracht haben sollte, um ihn zu ermorden, oder wenn Murchison in dieser Gegend Selbstmord begangen hätte. Plötzlich stand er auf und ging zu seiner Frau.
»Alles in Ordnung, Süße?« fragte er auf englisch. »Ich denke, die Herren sind hier bald fertig. Warum setzt du dich nicht?«
»Es geht mir gut«, versetzte Héloïse ziemlich kalt, als wolle sie sagen, seine merkwürdigen Aktivitäten, von denen niemand wußte, hätten die Polizisten überhaupt erst hierher gebracht – und deren Gesellschaft sei ihr alles andere als angenehm. Sie lehnte mit verschränkten Armen an einer Anrichte, ein gutes Stück weg von ihnen.
Tom ging wieder zu den Beamten und setzte sich, damit es nicht wirkte, als dränge er sie zum Gehen. »Wenn Sie Madame Murchison sprechen, würden Sie ihr bitte ausrichten, ich wäre bereit, noch einmal mit ihr zu reden? Was ich ihr sagen kann, weiß sie schon alles, aber…« Er verstummte.
Der Blonde namens Philippe antwortete: »Ja, Monsieur, das werden wir tun. Ihre Telefonnummer hat sie?«
»Sie hatte sie jedenfalls damals«, sagte Tom liebenswürdig. »Ist dieselbe geblieben.«
Philippes Kollege hob den Zeigefinger und verschaffte sich Gehör: »Und eine Frau namens Cynthia, Monsieur – in England? Madame Murchison hat sie erwähnt.«
»Cynthia?… Ach ja«, erwiderte Tom, als falle ihm der Name erst jetzt wieder ein. »Ich kenne sie flüchtig. Warum?«
»Ich glaube, Sie haben sie kürzlich in London getroffen, nicht?«
»Ja, stimmt. Auf einen Drink in einem pub anglais. « Tom lächelte. »Woher wissen Sie das?«
»Von Madame Murchison. Sie steht in Kontakt mit Madame Cynthia –«
»Gradnoor«, ergänzte der Blonde nach einem Blick in seinen Notizblock.
Allmählich wurde es Tom ungemütlich. Er versuchte vorauszudenken: Was könnten sie als nächstes fragen?
»Hatten Sie einen besonderen Grund, sie in London zu treffen und mit ihr zu sprechen?«
»Ja«, sagte Tom. Er drehte sich so in seinem Sessel, daß er Ed sehen konnte, der gegen einen Stuhl lehnte. »Du erinnerst dich an Cynthia?«
»Ja… vage«, antwortete Ed auf englisch. »Habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen.«
»Mein Grund war folgender«, fuhr Tom fort, an die beiden Beamten gewandt: »sie zu fragen, was Monsieur Pritchard von mir wollte. Sehen Sie, der Mann war für meinen Geschmack ein bißchen zu – freundlich. So wollte er zum Beispiel in mein Haus eingeladen werden, was meiner Frau ganz und gar nicht behagte, das wußte ich!« Tom lachte. »Bei meinem einzigen Besuch chez les Pritchard, auf einen Drink, erwähnte er Cynthia –«
»Gradnoor«, wiederholte der Blonde.
»Genau. Als ich bei M’sieur Pritchard ein Glas mit ihm trank, deutete er an, diese Cynthia wäre mir nicht eben wohlgesinnt – sie hätte etwas gegen mich. Was denn, fragte ich ihn, doch das hat er mir nicht verraten. Unangenehm, aber typisch Pritchard. In London habe ich also Madame Gradnors Telefonnummer herausgesucht und sie angerufen: Was mit Pritchard los wäre?« Rasch rief sich Tom ins Gedächtnis, daß Cynthia Bernard Tufts davor schützen wollte, als Fälscher abgestempelt zu werden. Sie hatte ihre (selbstgezogenen) Grenzen, und das würde ihm zugute kommen.
»Und sonst? Was haben Sie
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