Ripley Under Water
Beamten setzten sich, auf Stühle statt auf das Sofa.
Ed kam zurück, und Tom, der noch stand, stellte ihn vor: Edward Banbury, ein alter Freund aus London, zu Besuch übers Wochenende. Dann nahm Ed seinen Drink mit hinaus auf die Terrasse.
Die beiden Beamten wirkten etwa gleich alt und waren womöglich beide Kommissare; jedenfalls führte nicht nur einer das Wort. Ihr Anliegen: Eine Mrs. Murchison, die Gattin von Thomas Murchison, hatte aus New York bei den Pritchards angerufen, um mit David oder Janice Pritchard zu sprechen. Ein Polizist hatte den Anruf entgegengenommen. Ob Monsieur Ripley Mrs. Murchison kenne?
»Ich glaube ja«, erwiderte Tom ernsthaft, »sie war eine Stunde lang hier im Haus – vor etlichen Jahren, nach dem Verschwinden ihres Mannes.«
» Exactement! Genau das hat sie uns auch erzählt, Monsieur Ripley. Alors… « Der Beamte fuhr selbstsicher und bedeutungsvoll auf französisch fort: »Madame Murchison teilte uns mit, sie habe gestern, am Freitag –«
»Donnerstag«, verbesserte ihn der andere.
»Kann sein – ja, der erste Anruf. David Prichard habe sie informiert, er habe… das Gerippe ihres Gatten gefunden. Und er werde mit Ihnen darüber sprechen. Ihnen diese Knochen zeigen. «
Tom runzelte die Stirn. »Zeigen – mir? Ich verstehe nicht.«
»Sie Ihnen zukommen lassen«, ergänzte der andere, an seinen Kollegen gewandt.
»Ah ja: zukommen lassen. «
Tom holte tief Luft. »Davon hat Mr. Pritchard mir nichts gesagt, bestimmt nicht. Madame Murchison behauptet, er hätte mich angerufen? Das ist nicht wahr.«
»Er wollte sie Ihnen zukommen lassen, n’est-ce pas, Philippe?« fragte der andere.
»Ja, aber am Freitag, sagte Madame Murchison. Gestern morgen«, antwortete sein Kollege.
Beide Beamten saßen da mit dem Käppi auf dem Schoß.
Tom schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts bekommen.«
»Sie kennen Monsieur Prichard, M’sieur ?«
»Er hat sich mir vorgestellt, im bar-tabac unseres Dorfes. Ich war einmal bei ihm zu Hause, auf einen Drink, vor Wochen schon. Sie hatten meine Frau auch eingeladen, doch ich bin allein hingegangen. Hier im Haus waren sie nie.«
Der Größere, Blondere der beiden räusperte sich und fragte seinen Kollegen: »Und die Fotos?«
» Ah, oui. Wir haben im Hause Prichard zwei Fotos Ihres Hauses gefunden, Monsieur Ripley. Außenansichten.«
»Wirklich? Von Belle Ombre?«
»Ja, eindeutig. Die Fotos standen bei den Prichards auf dem Kaminsims.«
Tom betrachtete die beiden Schnappschüsse, die der Mann in der Hand hielt. »Sehr seltsam. Mein Haus steht nicht zum Verkauf.« Er lächelte. »Allerdings – doch, ja, ich erinnere mich: Einmal hab ich Pritchard draußen auf der Straße gesehen. Vor ein paar Wochen. Meine Haushälterin machte mich darauf aufmerksam – jemand würde Bilder von Belle Ombre machen, mit einer kleinen, ganz gewöhnlichen Kamera.«
»Und es war Monsieur Prichard? Sie haben ihn wiedererkannt?«
»O ja. Gefiel mir nicht, daß er fotografierte, aber ich habe es ignoriert. Meine Frau hat ihn auch gesehen, außerdem eine Freundin von ihr, die an dem Tag zu Besuch war.« Tom legte die Stirn in angestrengte Falten: »Ich erinnere mich: Kurz darauf kam Madame Pritchard in einem Wagen ihren Mann abholen. Sie sind gemeinsam weggefahren. Seltsam.«
In diesem Moment betrat Madame Annette den Raum; Tom wandte sich ihr zu. Ob die Messieurs gern etwas trinken würden? Sie wollte bald den Tisch decken, das wußte er.
»Ein Glas Wein, meine Herren?« fragte Tom. »Un pastis?«
Beide lehnten höflich ab – sie seien im Dienst, es sei noch de jour.
»Auch für mich noch nichts«, sagte Tom. »Ah, Madame Annette: Hat jemand für mich angerufen, am Donnerstag? Oder am Freitag?« Tom sah zu den Beamten hinüber, der eine nickte. »Ein Monsieur Pritchard? Wegen etwas, das er mir zukommen lassen wollte?« fragte Tom weiter, diesmal mit echtem Interesse, denn soeben war ihm eingefallen, daß Pritchard mit ihr über eine Lieferung gesprochen haben könnte; vielleicht hatte sie vergessen, ihm das mitzuteilen (was allerdings unwahrscheinlich war).
»Non, Monsieur Tomme.« Sie schüttelte den Kopf.
Zu den Beamten sagte er: »Natürlich hat meine Haushälterin schon vom tragischen Tod der Pritchards erfahren.«
Die beiden Männer murmelten etwas. Klar, daß solche Nachrichteten sich wie ein Lauffeuer verbreiteten.
»Fragen Sie Madame Annette, ob hier etwas angeliefert wurde«, sagte Tom.
Einer der beiden tat das, und sie verneinte:
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