Ripley Under Water
Erneutes Kopfschütteln.
»Keine Pakete, Monsieur«, erklärte sie entschieden.
»Diese…« Tom wählte seine Worte sorgfältig. »Diese Angelegenheit betrifft auch Monsieur Murchison, Madame Annette. Sie wissen noch, der Herr, der auf dem Flughafen von Orly verschwunden ist? Ein Amerikaner, hat vor ein paar Jahren hier übernachtet.«
» Ah, oui. Groß gewachsen«, sagte sie eher unbestimmt.
»Ja. Wir haben über Bilder gesprochen. Meine beiden Derwatts…« Tom zeigte auf die Wände. »Auch Monsieur Murchison besaß einen Derwatt, der leider in Orly gestohlen wurde. Tags darauf fuhr ich ihn nach Orly, gegen Mittag, wenn ich nicht irre. Wissen Sie noch, Madame?«
Tom hatte beiläufig gesprochen, ohne besondere Betonung, und hatte Glück – er wurde belohnt, denn Madame Annette antwortete ebenso beiläufig.
» Oui, Monsieur Tomme. Ich weiß noch, ich hab ihm geholfen, ses valises zum Auto zu tragen.«
Das dürfte reichen, dachte Tom, obwohl er sie auch schon hatte sagen hören, sie erinnere sich, wie Monsieur Murchison das Haus verlassen und in den Wagen gestiegen sei.
Dann kam Héloïse die Treppe herunter. Tom stand auf, die beiden Männer auch.
»Meine Frau Héloïse«, begann Tom.
Die beiden Beamten nannten erneut ihre Namen.
»Wir sprechen über die Pritchards«, fuhr er fort. »Einen Drink, Liebes?«
»Nein, danke, ich warte noch.« Héloïse schien auf dem Sprung, wollte vielleicht in den Garten.
Madame Annette ging zurück in die Küche.
»Madame Ripley, haben Sie möglicherweise irgendwo auf Ihrem Grundstück ein Paket gesehen – etwa so lang?« Der Polizist breitete die Arme aus.
Héloïse wirkte verwirrt: »Von einem Blumenhändler?«
Die Beamten mußten lächeln.
» Non, Madame. Segeltuch, mit Seil zusammengebunden. Am späten Donnerstag oder am Freitag?«
Tom überließ es ihr, zu erklären, sie sei erst heute mittag aus Paris gekommen, habe die Nacht von Freitag auf Samstag dort verbracht und sei am Donnerstag noch in Tanger gewesen.
Womit das geklärt wäre.
Die Polizisten berieten sich kurz, dann sagte einer: »Könnten wir Ihren Londoner Freund sprechen?«
Ed stand draußen bei den Rosen. Tom rief ihn, Ed eilte herbei.
»Die Beamten wollen dich zu einem Paket befragen, das hierher geliefert worden sein soll.« Tom stand auf den Terrassenstufen. »Ich habe keins gesehen, Héloïse auch nicht.« Er hatte das leichthin gesagt, weil er nicht wußte, ob hinter ihm auf der Terrasse einer der beiden wartete.
Die Beamten saßen noch im Wohnzimmer, als Ed Banbury eintrat.
Sie fragten Ed, ob er ein graues Paket gesehen habe, mehr als einen Meter lang, in der Einfahrt, unter den Hekken oder sonstwo, auch draußen vor dem Tor. »Non«, erwiderte Ed. »Non.«
»Wann sind Sie hier eingetroffen, Monsieur?«
»Gestern, am Freitag. Mittags. Ich habe hier schon gegessen.« Sein Gesicht unter den ernsthaft zusammengezogenen blonden Brauen wirkte grundehrlich. »Monsieur Ripley hat mich von Roissy abgeholt.«
»Danke, Sir. Ihr Beruf?«
»Journalist«, antwortete Ed. Dann mußte er Namen und Londoner Adresse in Druckbuchstaben auf einen Notizblock schreiben, den einer der Männer hervorgeholt hatte.
»Bitte empfehlen Sie mich Madame Murchison, sollten Sie noch einmal mit ihr sprechen. Mit besten Wünschen«, sagte Tom. »Ich habe Sie in angenehmer Erinnerung. Wenn auch eher undeutlich«, fügte er lächelnd hinzu.
»Wir werden noch einmal mit ihr sprechen«, sagte der Mann mit dem glatten braunen Haar. »Sie ist… Nun, sie glaubt, daß die von uns – oder besser, von Prichard – gefundenen Knochen von ihrem Mann stammen könnten.«
»Von ihrem Mann?« wiederholte Tom ungläubig. »Aber wo hat Pritchard die Knochen gefunden?«
»Das wissen wir nicht genau, doch wahrscheinlich nicht weit von hier. Zehn, fünfzehn Kilometer.«
Aus Voisy hatte sich also noch niemand gemeldet, dachte Tom. Sofern dort jemand überhaupt etwas bemerkt hatte. Und Pritchard hatte Voisy nicht erwähnt – oder etwa doch? »Das Skelett können Sie ja sicher identifizieren«, sagte er.
»Le squelette est incomplet, Monsieur. Il n’y a pas de tête«, erklärte der Blonde mit ernster Miene.
»C’est horrible!« murmelte Héloïse.
»Zuerst müssen wir feststellen, wie lang es unter Wasser gelegen hat, und –«
»Die Kleidung?« ging Tom dazwischen.
»Ha, alles verrottet, Monsieur! Nicht mal ein Knopf des ursprünglichen Leichentuchs ist noch da. Die Fische, das fließende Wasser…«
»Le fil d’eau«,
Weitere Kostenlose Bücher