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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Annette befreite Croissants und ein Baguette aus den Maschen des Einkaufsnetzes.
    »Die Polizei, Monsieur Tomme – sie suchen nach dem Kopf !« flüsterte sie, obwohl außer ihm niemand sie hören konnte.
    Tom runzelte die Stirn: »In jenem Haus?«
    »Überall!« Wieder das Flüstern.
    Tom las in den Schlagzeilen etwas von einem »ungewöhnlichen Haus in der Gegend von Moret-sur-Loing«: David und Janice Pritchard, zwei Amerikaner in den Dreißigern, hieß es in dem Bericht, waren entweder ausgerutscht und ertrunken oder hatten in dem Gartenteich auf ihrem Grundstück auf groteske Weise gemeinsam Selbstmord begangen. Die Behörden gaben bekannt, die Leichen hätten bereits etwa zehn Stunden im Wasser gelegen, als zwei Jungs, keine zwölf, die Leichen entdeckten und den Fund einem Nachbarn meldeten. Aus dem schlammigen Untergrund des Teichs hatte die Polizei ein menschliches Gerippe geborgen, ein unvollständiges Skelett, dem der Kopf und ein Fuß fehlten. Es stammte von einem Mann mittleren Alters und hatte noch nicht identifiziert werden können. Weder Madame noch Monsieur Pritchard waren einer geregelten Arbeit nachgegangen; David Pritchard bestritt seinen Unterhalt mit Zuwendungen aus dem Vermögen seiner Familie in den Vereinigten Staaten. Das kopflose Gerippe, so stand es im folgenden Absatz, hatte seit Jahren (wie lange genau, ließ sich nicht sagen) unter Wasser gelegen. Nachbarn berichteten, Pritchard habe den Grund von Flüssen und Kanälen in dem Gebiet abgesucht, seine Arbeiten aber dann am letzten Donnerstag eingestellt, nach der Entdeckung des Skeletts.
    Die zweite Zeitung meldete im Grunde das gleiche, nur kürzer; außerdem widmete sie einen ganzen Satz der Behauptung, die Pritchards hätten während der lediglich drei Monate in Villeperce auffallend ruhig und zurückgezogen gelebt; das Paar habe offenbar einzig darin Vergnügen gefunden, in ihrem zweistöckigen, freistehenden Haus bis spät in die Nacht laut Musik zu hören, und habe schließlich das Abfischen der Fluß- und Kanalgründe zu seinem Hobby gemacht. Der Polizei war es gelungen, Verbindung zu den Familien der Verstorbenen aufzunehmen. Im Haus hatte Licht gebrannt, eine Tür stand offen, und im Wohnzimmer fanden sich halbvolle Gläser, als man die beiden Leichen entdeckte. Nichts Neues, dachte Tom, doch darüber zu lesen schockierte ihn trotzdem.
    »Was sucht die Polizei jetzt wirklich, Madame?« fragte Tom in der Hoffnung, etwas zu erfahren und zugleich Madame Annette eine Freude zu machen – sie liebte es, ihr Wissen weiterzugeben. »Doch sicher nicht den Kopf?« flüsterte er eindringlich. »Indizien womöglich – ob es Selbstmord war oder ein Unfall.«
    Madame Annette, die mit nassen Händen an der Spüle stand, beugte sich zu ihm herüber: »Monsieur, heute morgen hab ich gehört, sie hätten eine Peitsche gefunden! Und jemand anders – Madame Hubert, die Frau des Elektrikers, wissen Sie – sprach von einer Kette. Keine große vielleicht, aber immerhin eine Kette.«
    Ed kam herunter. Tom begrüßte ihn im Wohnzimmer und gab ihm die beiden Zeitungen.
    »Tee oder Kaffee?« fragte er.
    »Kaffee mit ein wenig warmer Milch. Geht das?«
    »Klar. Setz dich an den Tisch, da hast du’s bequemer.«
    Ed wollte ein Croissant mit Orangenmarmelade.
    Nur mal angenommen, sie hatten den Kopf tatsächlich gefunden, dachte Tom, als er ging, um Eds Bestellung aufzugeben. Im Haus der Pritchards zum Beispiel? Oder den Ehering, gut versteckt, wo man ihn nie vermuten würde, etwa mit einem Hammer in die Fuge zwischen zwei Parkettbrettern getrieben? Einen Ehering mit den Anfangsbuchstaben des Namens? Und den Kopf irgendwo anders. Vielleicht war damit für Teddy das Maß voll gewesen?
    »Kann ich dich nach Roissy begleiten?« fragte Ed, als Tom zurückkam. »Das fände ich nett.«
    »Aber natürlich. Wäre schön, dich dabeizuhaben. Wir nehmen den Kombi.«
    Ed überflog weiter die Zeitungen. »Steht nichts Neues drin, Tom, oder?«
    »Nicht für mich, nein.«
    »Weißt du, Tom… Tja also –« Ed brach lächelnd ab.
    »Na los, erzähl schon! Etwas Erfreuliches?«
    »Das ist es, aber es sollte eine Überraschung werden: Ich glaube, Jeff bringt deine Taubenzeichnung im Koffer mit. Hab ihn vor meinem Abflug darauf angesprochen.«
    »Das wäre ja schön.« Toms Blick schweifte über die Wände des Wohnzimmers. »Wird den Raum neu beleben!«
    Madame Annette trug ein Tablett herein.
    Kaum eine Stunde später – Tom wie auch Héloïse hatten Toms Zimmer in

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