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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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kaum noch. Wirklich nicht wichtig, verglichen mit dem, was denkbar wäre – eine tiefe Wunde zum Beispiel, verursacht durch Pritchards Zähne oder seine Gürtelschnalle.
    Tom betrat die hohe Hotelhalle. Kurz vor neun: Héloïse war bestimmt vom Flughafen zurück. Mit Noëlle.
    »Ihr Schlüssel ist nicht da, Monsieur«, sagte der Mann am Empfang.
    Keine Nachricht. »Und Madame Hassler?« fragte Tom.
    Auch ihr Schlüssel fehlte, also bat er den Mann, in ihrem Zimmer anzurufen.
    Noëlle meldete sich: » ’allô, Tomme! Wir unterhalten uns gerade – und ich ziehe mich um.« Sie lachte. »Bin fast fertig. Wie findest du Tanger?« Aus irgendeinem Grund sprach sie englisch und schien bester Laune.
    »Sehr interessant«, sagte Tom. »Faszinierend! Ich könnte fast ins Schwärmen geraten.« Er merkte, daß er aufgeregt klang, vielleicht allzu begeistert, aber er dachte an Pritchard, der auf jener Matte lag und höchstwahrscheinlich noch nicht entdeckt worden war. Dem Mann würde es morgen nicht so gut gehen. Tom hörte zu, als Noëlle erklärte, Héloïse und sie könnten in einer knappen halben Stunde fertig sein und herunterkommen, wenn ihm das passe. Dann gab sie ihn weiter an Héloïse.
    »Hallo, Tomme. Wir unterhalten uns gerade.«
    »Ich weiß. Bis nachher, hier unten – zwanzig Minuten oder so?«
    »Ich gehe jetzt auf unser Zimmer. Möchte mich frisch machen.«
    Was Tom gar nicht gern hörte, aber er wußte nicht, wie er das verhindern sollte. Außerdem hatte sie den Schlüssel.
    Tom nahm den Aufzug zu ihrer Etage und erreichte die Zimmertür Sekunden vor seiner Frau, die von der Treppe kam.
    »Noëlle scheint es bestens zu gehen«, bemerkte er.
    »Ja. Oh, sie liebt Tanger! Heute abend will sie uns in ein Restaurant am Meer einladen.«
    Tom schloß auf, Héloïse trat ein.
    »Sehl gut.« Tom hatte sich seinen chinesischen Akzent zugelegt, der sie manchmal amüsierte. Rasch saugte er an dem Finger mit dem Kratzer. »Möglich, ich elst in Bad, ja? Nul ganz kulz. Hopp, hopp.«
    »O ja, Tomme, geh nur. Doch wenn du duschen willst, dann wasch ich mich am Becken.« Héloïse ging zu der Klimaanlage unter den breiten Fenstern. Tom öffnete die Tür zum Bad: zwei Waschbecken nebeneinander, wie in vielen Hotels, die ihren Gästen Komfort bieten wollten. Er aber mußte dabei unweigerlich an ein Ehepaar denken, das Seite an Seite Zähne putzte – oder die Frau zupfte sich die Augenbrauen, während der Mann an seinem Bart herumschabte: eine unästhetische, deprimierende Vorstellung. Er holte die Plastiktüte mit Waschpulver, ohne die Héloïse und er niemals reisten, aus seinem Kulturbeutel. Zuerst aber kaltes Wasser, sagte er sich. Da war nur wenig Blut, doch Tom wollte alles beseitigen. Er rieb an den Flecken herum, die bald blasser wirkten, ließ das Wasser ablaufen und wusch den Stoff wieder, diesmal mit warmem Wasser und einer Seife, die nicht schäumte, aber trotzdem wirkte.
    Er ging in das große Schlafzimmer – zwei extra breite Einzelbetten, allerhand, ebenfalls nebeneinander und zusammengerückt – und holte sich vorn aus dem Schrank einen Plastikbügel.
    »Was hast du am Nachmittag gemacht?« fragte Héloïse. »Etwas gekauft?«
    »Nein, Süße.« Tom lächelte. »Bin herumspaziert und habe Tee getrunken.«
    »Tee«, wiederholte sie. »Wo denn?«
    »Ach, ein kleines Café, sah aus wie alle andern. Ich wollte nur eine Weile die Passanten betrachten.« Er ging ins Bad zurück und hängte seine Dschellaba zum Abtropfen auf. Dann zog er sich aus, legte seine Sachen über eine Handtuchstange und duschte kurz und kalt. Héloïse kam herein und wusch sich am Waschbecken. Barfuß im Bademantel machte er sich auf die Suche nach frischer Unterwäsche.
    Héloïse hatte sich umgezogen: weiße Hose und eine grün-weiß gestreifte Bluse.
    Tom schlüpfte in eine schwarze Baumwollhose. »Gefällt Noëlle ihr Zimmer?«
    »Hast du deine Dschellaba etwa schon gewaschen?« rief Héloïse aus dem Bad. Sie schminkte sich gerade.
    »War staubig!« rief er zurück.
    »Was sind das für Flecken? Fett?«
    Hatte sie welche gefunden, die ihm entgangen waren? In diesem Moment hörte Tom die hohe, klagende Stimme, die von einem Turm in der Nähe zum Gebet rief. Wenn er wollte, dachte Tom, könnte er den Ruf als Alarm verstehen, als Warnung vor Schlimmerem, das kommen könnte. Doch das wollte er nicht. Fett? Würde er damit durchkommen?
    »Das sieht aus wie Blut, Tomme «, fuhr sie auf französisch fort.
    Er ging zu ihr, sein Hemd zuknöpfend.

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