Ripley Under Water
warf einen Blick auf die Nummer der Pritchards, die er notiert hatte, und griff nach dem Telefon, als es klingelte. Schön, wenn es Janice wäre, dachte er, als er abhob.
Nein. Ein Anruf aus Übersee, der halblaute Wortwechsel zweier Telefonistinnen, aus dem eine als Siegerin hervorging: »Vous êtes Monsieur Tom Ripley?«
»Oui, Madame.« War Héloïse etwas zugestoßen?
»Un instant, s’il vous plaît.«
»’ello, Tomme!« Héloïse, sie klang, als sei alles in Ordnung.
»Hallo, Süße. Wie geht’s dir? Warum hast du nicht –«
»Es geht uns glänzend… Marrakesch! Ja… Ich habe doch eine Postkarte geschickt – in einem Briefumschlag. Aber du weißt ja…«
»Na gut. Danke. Hauptsache, es geht dir gut. Du bist doch nicht etwa krank, oder?«
» Non, Tomme, chéri. Noëlle kennt die erstaunlichsten Arzneien! Wenn nötig, kauft sie uns welche.«
Na, das war doch etwas. Tom hatte Geschichten von merkwürdigen afrikanischen Krankheiten gehört. Er mußte schlucken. »Und du kommst wann zurück?«
»Ach…«
Noch eine Woche, hörte Tom in diesem »Ach«. Mindestens.
»Wir wollen noch nach –« Lautes Knistern, atmosphärische Störungen, sie wurden fast getrennt, dann war sie wieder da und sagte ruhig: »Meknès. Wir fliegen hin. – Irgend etwas geht hier vor. Ich muß au revoir sagen, Tomme. «
» Was geht dort vor?«
»… okay. Bye-bye, Tom.«
Ende.
Was war da los, in Drei Teufels Namen? Jemand anders, der auch telefonieren wollte? Es hatte so geklungen, als habe Héloïse aus der Hotelhalle angerufen (da waren andere Stimmen im Hintergrund gewesen), was Tom nur logisch fand. Er war aufgebracht, doch wenigstens wußte er, daß es ihr augenblicklich gutging. Sollte sie nach Meknès fliegen, das weiter nördlich lag, in Richtung Tanger, könn-te sie dort bestimmt einen Rückflug erwischen. Schade, daß keine Zeit geblieben war, Noëlle zu sprechen. Er wußte noch nicht einmal, in welchem Hotel sie jetzt wohnten.
Alles in allem aber hatte der Anruf ihn aufgemuntert. Tom nahm wieder den Hörer zur Hand, warf einen Blick auf seine Uhr – zehn nach drei – und wählte die Nummer der Pritchards. Es klingelte, fünf-, sechs-, siebenmal. Dann Janice’ hohe, amerikanische Stimme: »Hal- loo ?«
»Hallo, Janice. Hier Tom. Wie geht es Ihnen?«
»Oh! Wie nett, daß Sie anrufen! Uns geht es gut. Und selbst?«
Unheimlich, diese fröhliche Freundlichkeit, dachte er. »Gut, danke. Genießen Sie das schöne Wetter? Ich schon.«
»Ist es nicht herrlich? Gerade war ich draußen, hab im Rosenbeet Unkraut gejätet. Konnte das Klingeln kaum hören.«
»Und Ihr Mann angelt, wie ich höre.« Tom zwang sich zu grinsen.
»Angeln – ha, ha!«
»Stimmt das nicht? Ich meine, ich hätte ihn einmal gesehen. Als ich nicht weit von hier an einem Kanal entlangfuhr. Fischt er für den heimischen Herd?«
»O nein, Mr. Ripley. Eher fürs Grab – nach einer Leiche. « Fröhliches Gekicher, der Gegensatz schien sie zu amüsieren. »Lächerlich! Was wird er schon finden? Nichts!« Wieder lachte sie. »Aber so kommt er mal raus. Ein bißchen Bewegung.«
»Eine Leiche? Wessen Leiche?«
»Ein Mann namens Murchison. David sagt, Sie hätten ihn gekannt – und umgebracht, denkt er. Ist das zu glauben?«
»Nein!« Auch Tom lachte, scheinbar amüsiert: »Ihn umgebracht? Wann?« Er wartete. »Janice?«
»Tut mir leid, aber ich dachte gerade, sie könnten zurückkommen. War aber ein anderes Auto… Vor Jahren, meine ich. Ach, Mr. Ripley, das ist alles so absurd!«
»Allerdings. Doch wie Sie sehen, verschafft es ihm Bewegung, sportliche Betätigung –«
»Sportlich!« Die schrille Stimme und ihr Lachen verrieten Tom, daß sie jede Minute der sportlichen Aktivitäten ihres Gatten genoß. »Er zieht einen Rechen –«
»Und der Mann bei ihm?« unterbrach er sie. »Ein alter Freund?«
»Nein! Ein amerikanischer Musikstudent; David hat ihn in Paris aufgegabelt! Wir haben Glück, daß er ein netter Junge ist und kein Dieb…« Sie kicherte. »Er schläft nämlich bei uns, deshalb sage ich das. Teddy heißt er.«
»Teddy…«, wiederholte Tom, auf den Nachnamen hoffend, doch der kam nicht. »Was meinen Sie, wie lange wird das noch weitergehen?«
»Oh, bis er etwas findet. Hartnäckig ist David, das muß man ihm lassen. Und ich hab alle Hände voll zu tun – Benzin kaufen, verletzte Finger verbinden, für die Männer kochen. Wollen Sie nicht irgendwann auf einen Kaffee oder einen Drink vorbeikommen?«
Tom war
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