Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
ähnelte das Gebiet um Fontainebleau und Moret bis Montereau und weiter südlich der Darstellung des Blutkreislaufs aus Gray’s Anatomy: Venen und Arterien, dicke und dünne, Flüsse und Kanäle, die sich kreuzten und wieder teilten. Allerdings wäre wohl jeder groß genug für Pritchards motorisiertes Ruderboot. Tja, der Mann hatte allerhand Arbeit vor sich.
    Wie gern würde er mit Janice Pritchard sprechen! Was hielt sie von alledem? »Glück gehabt, Liebster? Ein Fisch fürs Abendessen? Noch ein altes Fahrrad? Oder ein Stiefel?« Und was sagte ihr Mann, wonach er suche? Vermutlich die Wahrheit, dachte Tom: Murchison. Warum nicht? Ob Pritchard eine Karte besaß, sich Aufzeichnungen machte? Wahrscheinlich.
    Tom hatte natürlich nach wie vor die Karte, die er zuerst eingesehen hatte – der mit Bleistift eingezeichnete Kreis reichte ein kleines Stück über Voisy hinaus. Im Times -Atlas waren die Flüsse und Kanäle deutlicher markiert und zweifellos zahlreicher. Würde Pritchard einen weiten Radius genommen haben, um das Netz dann zuzuziehen, oder mit der unmittelbaren Umgebung anfangen und allmählich weiter ausgreifen? Tom nahm letzteres an: Ein Mann, der eine Leiche loswerden mußte, so könnte Pritchard denken, hatte womöglich keine Zeit gehabt, zwanzig Kilometer weit zu fahren, und sich mit zehn oder weniger begnügen müssen. Von Villeperce nach Voisy dürften es acht Kilometer sein.
    Grob geschätzt, gab es mindestens fünfzig Kilometer Wasserwege innerhalb eines Radius von zehn Kilometern, schätzte Tom. Was für eine Aufgabe! Würde Pritchard womöglich ein weiteres Boot mit Außenborder mieten, noch weitere Helfer anheuern?
    Wie schnell würde ein Mann solch einen Job satt haben? Tom rief sich in Erinnerung, daß der Kerl nicht normal war.
    Und wieviel konnte er inzwischen abgesucht haben, in sieben Tagen? Oder waren es neun? Wenn Pritchard einen Kanal einmal abfuhr, logischerweise in der Mitte, und zwei Kilometer pro Stunde schaffte, drei Stunden vormittags, drei Stunden nachmittags, wären das zwölf Kilometer am Tag – und das ohne die Widrigkeiten, jede halbe Stunde etwa auf ein anderes Boot zu treffen, beispielsweise, oder womöglich das Boot auf den Pick-up laden und es zum nächsten Kanal fahren zu müssen. Außerdem wären auf einem Fluß womöglich zwei Fahrten nötig, hin und zurück, um die ganze Breite abzudecken.
    Alles in allem: Bei gut fünfzig abzusuchenden Kilometern dürfte es, grob gerechnet, höchstens noch zwei Wochen dauern, bis Pritchard die Leiche entdeckt haben könnte – mit etwas Glück, und falls von Murchison noch etwas zu entdecken war.
    Ein leichter Schauer durchfuhr Tom, doch dann sagte er sich, daß diese Zeitspanne nur eine vage Schätzung war. Und was, wenn die Leiche nach Norden getrieben war, aus dem Gebiet heraus, das Tom in Erwägung zog?
    Oder wenn Murchisons Leiche plus Plane schon vor Monaten in einen Kanal getrieben und entdeckt worden war, als man das Wasser zwecks Arbeiten am Kanal abgelassen hatte? Tom hatte schon viele trockengefallene Kanäle gesehen; das Wasser wurde dann irgendwo von Schleusen gestaut. Selbstverständlich könnten Murchisons Überreste der Polizei übergeben worden sein, die sie womöglich nicht zu identifizieren vermochte. In den Zeitungen hatte Tom keine Meldung über ein nicht identifiziertes Skelett gefunden, aber er hatte auch nicht danach gesucht. Und: Würden die Zeitungen so etwas unbedingt bringen? Nun ja, das würden sie, denn genau das wollte man in Frankreich oder anderswo lesen: daß jemand das Gerippe eines Unbekannten vom Grund eines Flusses gefischt hatte. Männlich, wahrscheinlich Opfer eines Gewaltverbrechens, doch kein Suizid. Aber irgendwie konnte Tom einfach nicht glauben, daß die Polizei oder sonstwer Murchison gefunden haben sollte.
    Eines Nachmittags, als Tom gut vorangekommen war mit seinem Ölbild, das er Das Hinterzimmer nannte, war ihm auf einmal danach, Janice Pritchard anzurufen. Sollte ihr Mann abheben, konnte er auflegen; falls Janice sich meldete, würde er am Apparat bleiben und zusehen, so viel wie möglich zu erfahren.
    Tom legte den Pinsel mit der Ockerfarbe behutsam neben seiner Palette ab und ging hinunter zum Telefon in der Diele.
    Madame Clusot, »die Frau fürs Grobe«, wie Tom sagte, putzte gerade unten die Toilette, in der ein Waschbecken war und eine Tür, hinter der eine Treppe in den Keller hinabführte. Soweit er wußte, verstand sie kein Englisch. Sie war keine fünf Meter entfernt. Tom

Weitere Kostenlose Bücher