Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
Sofort.«
    Später, allein in seinem Zimmer, besah sich Tom das schöne Stück näher, das nun zwischen den beiden Fenstern zur Straße stand. Die niedrige Kommode war aus Eichenholz, stabil gebaut, mit Eckbeschlägen und versenkten Schubladengriffen aus schimmerndem Messing. Das polierte Holz der Kommode wirkte lebendig, wie beseelt von den Händen des Schreiners, vielleicht auch von denen des Kapitäns oder der Offiziere, die sie benutzt hatten. Einige glänzende, dunkle Kerben im Holz glichen den Narben, die das Leben bei jedem hinterläßt. Oben war eine ovale Silberplakette eingelassen; darauf stand in verschnörkelten Buchstaben: Capt. Archibald L. Partridge, Plymouth 1734, und darunter, viel kleiner, der Name des Tischlers. Handwerkerstolz. Eine nette Geste, fand Tom.

[149]  10
    Am Mittwoch rief Reeves, wie versprochen, Jonathan im Laden an. Jonathan hatte ausnahmsweise gerade viel zu tun und mußte ihn bitten, kurz nach zwölf wieder anzurufen.
    Beim zweiten Anruf fragte er Jonathan nach den üblichen Höflichkeiten, ob er tags darauf nach München kommen könne.
    »Auch in München gibt es Ärzte, wissen Sie, sogar sehr gute. Ich denke da besonders an einen, Doktor Max Schröder. Er könnte Ihnen einen Termin für Freitag früh geben, so gegen acht Uhr. Ich brauche bloß noch zu bestätigen. Wenn Sie…«
    »Meinetwegen«, sagte Jonathan. Das Gespräch nahm genau den Verlauf, den er sich vorgestellt hatte. »Gut, Reeves. Ich werde einen Flug buchen.«
    »Nur den Hinflug, Jonathan. Na ja, das überlasse ich Ihnen.«
    Jonathan verstand. »Ich rufe Sie an, sobald ich die Abflugszeit weiß.«
    »Die weiß ich schon. Es gibt eine Maschine von Orly nach München um Viertel nach eins, wenn Sie die erreichen könnten.«
    »In Ordnung. Ich werd’s versuchen.«
    [150]  »Sollte ich nichts von Ihnen hören, nehme ich an, daß Sie die nehmen. Ich treffe Sie am Busbahnhof, wie gehabt.«
    In Gedanken versunken ging Jonathan zur Spüle, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, griff nach seinem Regenmantel. Ein nasser, nieseliger Tag, empfindlich kühl. Gestern hatte er seine Entscheidung getroffen: Er würde mitmachen, genau wie zuvor, einen Arzt aufsuchen, diesmal in München, und dort in den Zug steigen. Fraglich war nur, ob er die Nerven behalten würde. Wie weit würde er gehen können? Er trat aus dem Laden und schloß hinter sich zu.
    Auf dem Gehweg stieß er gegen einen Mülleimer, merkte, daß er dahinschlurfte, statt richtig zu gehen, und hob den Kopf. Er würde neben der Schlinge auch eine Pistole verlangen, und sollte er vor der Garrotte zurückschrecken, weil ihn der Mut verließ (wovon er ausging), würde er die Kanone nehmen müssen. Das ging dann eben nicht anders. Mit Minot würde er eine Verabredung treffen: Falls er die Pistole benutzen mußte, falls somit klar war, daß man ihn schnappen würde, wollte er die nächsten Kugeln für sich verwenden. Dann konnte er Reeves Minot und die anderen, die mit ihm in Verbindung standen, niemals verraten. Dafür würde Reeves seiner Frau den Rest des Geldes auszahlen. Daß seine Leiche nicht für die eines Italieners durchgehen konnte, war Jonathan klar, doch war es durchaus denkbar, daß die Di-Stefano-Familie für den Mord einen ausländischen Killer gedungen hätte.
    Jonathan sagte zu Simone: »Heute vormittag hat mich der Arzt aus Hamburg angerufen. Ich soll morgen nach München kommen.«
    [151]  »Ach, so bald schon?«
    Da fiel ihm ein, daß er Simone gesagt hatte, bis zum nächsten Termin bei den Ärzten könnten zwei Wochen vergehen; Dr.   Wentzel habe ihm Tabletten gegeben, deren Wirkung er dann überprüfen wolle. Tatsächlich hatte er mit Dr.   Wentzel über Tabletten gesprochen (bei Leukämie war nichts zu machen, man konnte mit Medikamenten den Krankheitsverlauf nur verzögern), aber der Arzt hatte ihm keine gegeben – er hätte es aber getan, wäre Jonathan noch einmal hingegangen. »Es gibt da einen anderen Arzt, einen Mann namens Schröder in München. Wentzel möchte, daß ich den aufsuche.«
    »Wo ist München?« fragte Georges.
    »In Deutschland.«
    »Wie lange wirst du weg sein?« fragte Simone.
    »Wahrscheinlich bis Samstag früh«, sagte Jonathan. Vielleicht kam der Expreß am Freitag abend so spät in Paris an, daß kein Zug mehr nach Fontainebleau fuhr.
    »Und was ist mit dem Laden? Soll ich morgen früh hingehen? Am Freitag morgen auch? Und wann mußt du morgen los?«
    »Die Maschine geht um Viertel nach eins. Ja, chérie, es wäre mir

Weitere Kostenlose Bücher