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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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eine große Hilfe, wenn du morgen und Freitag früh kurz aufmachen könntest, und sei es nur für eine Stunde. Ein paar Kunden werden Bilder abholen wollen.« Er spießte zögernd ein Stück Camembert auf, das er genommen hatte, nun aber nicht mehr wollte.
    »Machst du dir Sorgen, Jon?«
    »Nein, eigentlich nicht. Im Gegenteil, was sie auch sagen, ein bißchen besser wird’s schon sein.« Immer brav [152]  und optimistisch, dachte Jonathan, dabei war es im Grunde Unsinn: Die Ärzte konnten die Zeit nicht anhalten. Er warf seinem Sohn einen Blick zu. Der Junge schien verdutzt, doch nicht genug, um eine weitere Frage zu stellen. Georges mußte solche Gespräche mit angehört haben, seit er Worte verstehen konnte. Die Worte hatten ihm bedeutet: »Dein Vater trägt etwas in sich, das ist wie eine Erkältung. Manchmal macht es ihn müde. Aber du kannst dich nicht anstecken. Niemand kann das, es wird dir also nicht weh tun.«
    »Wirst du im Krankenhaus schlafen?« fragte Simone.
    Jonathan verstand nicht gleich. »Nein. Dr.   Wentzel, ich meine, seine Sekretärin sagte, sie hätten ein Zimmer für mich gebucht.«
    Am nächsten Morgen, kurz nach neun, verließ er das Haus, um den 9   :   42-Uhr-Zug nach Paris noch zu erwischen, denn der nächste würde ihn nicht rechtzeitig nach Orly bringen. Seinen Flugschein, nur für den Hinflug, hatte er am Nachmittag zuvor gekauft, außerdem hatte er noch einmal tausend Franc auf das Konto bei der Société Générale eingezahlt und fünfhundert in seine Brieftasche gesteckt. Damit blieben ihm noch zweitausendfünfhundert Franc in der Schublade in seinem Laden. Auch das Buch, Die Sensenmänner, hatte er aus der Schublade genommen und in den Koffer gelegt, weil er es Reeves zurückgeben wollte.
    Kurz vor fünf stieg Jonathan aus dem Flughafenbus, der ihn zum Münchner Busbahnhof gebracht hatte. Die Sonne schien, die Luft war angenehm warm. Er sah einige untersetzte Männer mittleren Alters in Lederhosen und [153]  grünen Joppen. Auf dem Gehweg spielte ein Leierkasten. Minot kam eilig auf ihn zu.
    »Entschuldigen Sie die kleine Verspätung«, sagte er. »Wie geht es Ihnen, Jonathan?«
    »Danke, ganz gut.« Jonathan lächelte.
    »Ich habe Ihnen ein Zimmer besorgt. Wir nehmen ein Taxi. Ich wohne in einem anderen Hotel, aber ich komme mit hinauf, dann können wir reden.«
    Sie stiegen ins Taxi. Reeves sprach von München, als kenne er die Stadt gut und möge sie, nicht als rede er nur aus Nervosität, um etwas zu sagen. Auf einem Stadtplan zeigte er Jonathan den Englischen Garten, den sie auf der Fahrt nicht sehen würden, und das Krankenhaus an der Isar, wo Jonathan am nächsten Morgen um acht seinen Termin hatte. Beide Hotels seien zentral gelegen, meinte er. Das Taxi hielt, ein Page in dunkelroter Uniform öffnete die Wagentür.
    Jonathan füllte den Meldeschein aus. Die vielen modernen Buntglasfenster der Hotelhalle zeigten deutsche Ritter und Bänkelsänger. Er fühlte sich wohl, es ging ihm so gut wie nur selten, er war bester Laune. Ein Vorspiel für schlimme Nachrichten morgen, für eine Katastrophe? Gut gelaunt zu sein kam ihm aberwitzig vor, und er riß sich zusammen wie jemand, der fast einen zuviel getrunken hätte.
    Reeves begleitete ihn auf sein Zimmer. Der Page hatte den Koffer gebracht und ging. Jonathan hängte seinen Mantel an einen Haken neben der Tür, genau wie zu Hause.
    »Wir könnten Ihnen einen neuen Mantel kaufen, vielleicht morgen früh oder noch heute nachmittag«, sagte [154]  Reeves mit einem peinlich berührten Blick auf Jonathans Stück.
    »Ach ja?« Sein Mantel war ziemlich schäbig, das mußte er zugeben. Er lächelte dünn: nichts für ungut. Wenigstens hatte er seinen besten Anzug und die fast neuen schwarzen Schuhe mitgebracht. Er hängte den blauen Zweiteiler in den Schrank.
    »Schließlich reisen Sie im Zug erste Klasse«, sagte Reeves. Er ging zur Tür und schob den Riegel vor. »Ich habe die Pistole. Wieder eine italienische, doch diesmal ein anderes Fabrikat. Einen Schalldämpfer konnte ich nicht kriegen, doch der würde auch nicht viel nützen, ehrlich gesagt.«
    Jonathan begriff. Er betrachtete die kleine Pistole, die Reeves aus der Tasche gezogen hatte. Einen Moment lang spürte er eine dumpfe Leere. Ein einziger Schuß aus dieser Waffe, und er konnte sich gleich selbst erschießen. Nur das bedeutete sie für ihn.
    »Dann hätten wir noch das hier.« Reeves zog die Garrotte aus der Tasche.
    In Münchens hellerem Licht wirkte die Schnur

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