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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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    Weil er wissen wollte, wie es um Filippo Turoli stand, fuhr Tom am Sonntag nach Fontainebleau, um die Londoner Sonntagszeitungen zu kaufen, den Observer und die Sunday Times. Für gewöhnlich holte er sie sich Montag morgens am tabac von Villeperce. Der Kiosk in Fontainebleau befand sich vor dem Hôtel de l’Aigle Noir. Tom hielt nach Jonathan Ausschau, der diese Zeitungen vermutlich auch regelmäßig kaufte, konnte ihn aber nirgends entdecken. Elf Uhr, vielleicht hatte er sie schon geholt. Tom stieg wieder ein und schaute zuerst in den Observer, fand aber nichts über den Zwischenfall im Zug. Vielleicht war die Geschichte den englischen Zeitungen keine Zeile wert. Dennoch sah er auch in der Sunday Times nach und fand auf Seite drei einen kurzen Artikel von einer halben Spalte, den er gierig verschlang. Der Bericht war eher salopp gehalten: »…Bei diesem Job war die Mafia offenbar blitzschnell… Filippo Turoli von der Genotti-Familie erlangte am Samstag mit einem Arm weniger und Verletzungen an einem Auge das Bewußtsein wieder. Sein Zustand verbessert sich so schnell, daß er bald schon in ein Mailänder Krankenhaus verlegt werden könnte. Aber selbst wenn er etwas weiß: Er redet nicht.« Daß Turoli nichts sagte, war Tom neu. Auf jeden Fall würde der Mann [200]  überleben. Das war Pech. Wahrscheinlich hatte er seinen Kumpanen schon eine Beschreibung von ihm gegeben, denn gewiß hatten ihn Mitglieder des Clans schon in Straßburg besucht. Im Krankenhaus wurden wichtige Mafiosi Tag und Nacht bewacht; vielleicht genoß auch Turoli solchen Schutz. Daran mußte Tom denken, als ihm die Idee kam, Turoli auszuschalten. Er erinnerte sich an Joe Colombo, das Haupt der Profaci-Familie, der unter Mafiaschutz in einem New Yorker Krankenhaus gelegen hatte. Trotz erdrückender Gegenbeweise leugnete Colombo damals nicht nur seine Zugehörigkeit zur Mafia, sondern auch deren Existenz überhaupt. Bis er entlassen wurde, mußten die Krankenschwestern im Flur über die Beine von Leibwächtern steigen, die in den Fluren schliefen. Turoli ausschalten? Am besten schlug er sich das gleich aus dem Kopf. Der Italiener hatte wahrscheinlich schon von einem Mann in den Dreißigern berichtet, dunkelblond, knapp über mittelgroß, der ihm zwei Haken aufs Kinn und in den Magen verpaßt habe, und von dem zweiten Mann, der hinter ihm gestanden haben müsse, weil er auch auf den Hinterkopf geschlagen worden sei. Die Frage war nur, würde Turoli ihn zweifelsfrei wiedererkennen, wenn er ihn zufällig zu Gesicht bekäme? Tom hielt das für durchaus möglich. Seltsamerweise würde sich Turoli unter Umständen noch deutlicher an Jonathan erinnern, falls er auch ihn gesehen hatte, einfach weil Jonathan anders aussah als andere: Er war größer und blonder als die meisten Männer. Natürlich würde Turoli seine Beobachtungen mit denen des zweiten Leibwächters vergleichen, der bei bester Gesundheit war.
    [201]  Als Tom in das Wohnzimmer trat, sagte Héloïse: » Chéri, was hältst du von einer Kreuzfahrt auf dem Nil?«
    Tom war in Gedanken weit weg, er mußte kurz nachdenken, was der Nil war und wo er floß. Héloïse saß barfuß auf dem Sofa und blätterte in Prospekten, die ihr ein Reisebüro in Moret regelmäßig ungefragt zuschickte, weil sie eine so gute Kundin war. »Ich weiß nicht. Ägypten…«
    »Ist das hier nicht séduisant ?« Sie zeigte Tom das Foto der Isis, eines kleinen Schiffes, das eher an einen Schaufelraddampfer des Mississippi erinnerte, vor dem schilfgesäumten Ufer des Nils.
    »Ja, allerdings.«
    »Oder irgendwo anders hin. Wenn du gar nicht willst, werde ich Noëlle fragen.« Sie wandte sich wieder den Prospekten zu.
    Héloïse bekam Frühlingsgefühle, Fernweh. Kurz nach Weihnachten waren sie das letzte Mal verreist: eine angenehme Kreuzfahrt auf einer Jacht, von Marseille nach Portofino und zurück. Die Eigner, ein älteres Ehepaar, waren Freunde von Noëlle und hatten ein Haus in Portofino. Tom wollte zur Zeit nicht verreisen, nirgendwohin, aber das sagte er Héloïse nicht.
    Es wurde ein ruhiger, angenehmer Sonntag. Tom gelangen zwei gute erste Skizzen von Madame Annette am Bügelbrett. Am Sonntagnachmittag bügelte sie immer die Wäsche in der Küche und sah dabei fern, wozu sie ihren Apparat vor den Geschirrschrank rollte. Für Tom gab es nichts Häuslicheres, nichts Französischeres als Madame Annettes kleine, gedrungene Gestalt, die sich an einem Sonntagnachmittag über ihr Bügeleisen beugte. Er wollte die

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