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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Reeves sagen, Sie hätten die Sache alleine durchgezogen. Davon gehe ich jedenfalls aus. Reeves weiß nicht, daß ich im Zug war. Ist besser so.«
    Jonathan, der vom Gegenteil ausgegangen war, brauchte ein Weilchen, bis er das verdaut hatte. »Ich dachte, Sie und Reeves wären Freunde.«
    »Ach, gute Bekannte, mehr nicht. Wir halten Abstand.« Tom dachte gerade gewissermaßen laut und versuchte zugleich, die richtigen Worte zu finden, um Jonathan die [193]  Angst zu nehmen und sein Selbstvertrauen zu stärken. Was nicht leicht war. »Außer Ihnen weiß niemand, daß ich im Zug war. Ich habe sogar einen falschen Paß benutzt. Mir war klar, daß Sie mit der Garrotte nicht klarkommen würden. Ich hatte mit Reeves telefoniert.« Tom ließ den Motor an und schaltete das Licht ein. »Reeves ist nicht ganz dicht.«
    »Was meinen Sie?«
    Ein Motorrad mit starkem Scheinwerfer bog um die Ekke, donnerte vorüber und übertönte für einen Augenblick das Brummen des Motors.
    »Er spielt gerne Spielchen«, sagte Tom. »Wie Sie vielleicht wissen, ist er vor allem Hehler. Er nimmt Sachen in Gewahrsam, leitet sie weiter. Ein genauso dummes Spiel wie Spionage, aber wenigstens ist Reeves noch nicht erwischt worden… Verhaftung, Freilassung und so weiter. Wie ich höre, lebt er in Hamburg nicht schlecht davon, allerdings kenne ich seine Wohnung nicht. Er sollte die Finger von solchen Sachen lassen. Sie sind eine Nummer zu groß für ihn.«
    Jonathan hatte angenommen, Tom habe Reeves Minot in Hamburg häufig besucht. Nun fiel ihm ein, daß Fritz an jenem Abend mit einem Päckchen in Minots Wohnung erschienen war: Juwelen? Rauschgift? Er sah die vertraute Eisenbahnüberführung, dann die dunkelgrünen Bäume vor dem Bahnhof, die Kronen hell im Licht der Straßenlaternen. Nur Tom Ripley an seiner Seite war ihm nicht vertraut. Angst stieg wieder in ihm auf. »Wenn ich fragen darf – wieso ausgerechnet ich?«
    Tom bog gerade auf der Anhöhe links in die Avenue Franklin Roosevelt ab, ein etwas heikles Manöver, bei dem [194]  er den Gegenverkehr abwarten mußte. »Wegen einer Kleinigkeit, muß ich gestehen. Da war jener Abend im Februar, die Party bei Ihnen… Sie haben etwas gesagt, das mir nicht gepaßt hat.« Jetzt war der Weg frei. »Sie sagten: ›Ach ja, von Ihnen hab ich schon gehört‹, und es klang nicht sehr nett.«
    Jonathan erinnerte sich. Auch daran, daß er an jenem Abend besonders erschöpft und deshalb schlechter Stimmung gewesen war. Und wegen dieser Petitesse hatte Ripley ihn in den Schlamassel geritten, in dem er jetzt steckte. Nein, verbesserte er sich, das hatte er selber getan.
    »Wir brauchen uns nicht mehr zu treffen«, fuhr Tom fort. »Die Sache war ein Erfolg, denke ich, falls wir vom Leibwächter nichts mehr hören.« Sollte er noch sagen, es tue ihm leid? Ach was, zur Hölle damit. »Und ich hoffe doch sehr, daß Sie keine Gewissensbisse bekommen. Diese Männer waren Mörder, sie haben etliche unschuldige Menschen umgebracht. Wir haben also das Gesetz nur in die eigene Hand genommen – die Mafia wäre die erste, die das verstehen würde. Genau darauf beruht sie.« Tom bog nach rechts in die Rue de France ab. »Ich werde Sie nicht bis vor die Tür bringen.«
    »Halten Sie irgendwo hier. Vielen Dank.«
    »Ich sehe zu, daß ein Freund mein Bild abholen kann.« Tom hielt an.
    Jonathan stieg aus. »Wie Sie wollen.«
    »Rufen Sie an, wenn es eng wird, ja?« sagte Tom lächelnd.
    Zumindest lächelte Jonathan nun zurück, so als finde er das komisch.
    [195]  Jonathan ging zur Rue Saint-Merry und fühlte sich schlagartig besser. Er war erleichtert, vor allem weil Ripley offenbar gar keine Angst hatte, weder wegen des noch lebenden Leibwächters noch wegen des Umstands, daß sie beide scheinbar endlos lange vor jener Tür im Zug gestanden hatten. Und dann das mit dem Geld… Genauso unglaublich wie die ganze Geschichte.
    Als er sich dem Sherlock-Holmes-Haus näherte, ging er langsamer, obwohl er spät dran war. Gestern waren die Unterschriftsmuster von der Schweizer Bank in seinem Laden eingetroffen. Simone hatte den Brief nicht geöffnet; Jonathan hatte die Karten unterschrieben und noch am selben Nachmittag in die Post gegeben. Seine vierstellige Kontonummer war ihm schon entfallen, obwohl er angenommen hatte, er werde sie nicht vergessen. Simone hatte seine zweite Reise zu einem deutschen Facharzt noch hingenommen, doch damit war nun Schluß, also mußte er eine Erklärung für das Geld finden, nicht für die

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