Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
Überraschung werden.«
Madame Annette lächelte verschwörerisch. Man mochte meinen, auch sie habe ein Geschenk bekommen.
[208] 14
Das Gyroskop aus München erwies sich als das beste Geschenk, das Jonathan seinem Sohn je gemacht hatte. Der Zauber verflog nicht, wie oft der Junge das Gerät auch aus der Schachtel hervorholte, in der er es auf Drängen seines Vaters aufbewahrte.
»Vorsichtig, nicht fallen lassen!« Jonathan lag im Wohnzimmer auf dem Bauch. »Das ist ein empfindliches Instrument.«
Durch das Gerät mußte Georges ein paar neue englische Wörter lernen, weil Jonathan selber so fasziniert davon war, daß er ganz vergaß, französisch zu sprechen. Der Wunderkreisel drehte sich auf der Fingerspitze des Jungen oder lehnte gegen die Turmspitze eines Ritterschlosses aus Plastik, das Georges aus seiner Spielzeugkiste wieder ausgegraben und als Ersatz für den Eiffelturm verwendete, der auf dem rosa Faltblatt mit der Gebrauchsanweisung abgebildet war.
»Schiffe haben eine Art größeres Gyroskop, einen richtig großen Kreiselkompaß«, sagte Jonathan, »damit sie den Kurs halten können, wenn sie auf See hin und her rollen.« Seine Erklärungen waren nicht schlecht, und zur Veranschaulichung könnte er das Ding vielleicht auf einem Spielzeugboot befestigen und in einer vollen Badewanne Wellen [209] schlagen. »Große Schiffe haben oft drei Kreiselkompasse, die gleichzeitig arbeiten.«
»Jon, das Sofa…« Simone stand in der Wohnzimmertür. »Du hast mir noch nicht gesagt, was du dazu meinst. Dunkelgrün?«
Jonathan rollte sich auf den Rücken und stützte die Ellenbogen auf, den wunderschönen Kreisel vor Augen, der sich weiterdrehte und wie von Wunderhand im Gleichgewicht blieb. Simone sprach von einem neuen Bezug für das alte Sofa. »Ich denke, wir sollten ein neues Sofa kaufen.« Er stand auf. »Heute habe ich eine Anzeige für ein schwarzes Chesterfield gesehen. Fünftausend Franc. Ich wette, ich kann genau das gleiche für dreitausendfünfhundert kriegen, wenn ich mich ein bißchen umsehe.«
»Dreitausendfünfhundert neue Franc?«
Jonathan hatte erwartet, daß sie schockiert sein würde. »Sehen wir es als Geldanlage. Wir können es uns leisten.« Jonathan kannte tatsächlich einen Antiquitätenhändler fünf Kilometer vor der Stadt, der nur große, gut restaurierte Möbelstücke verkaufte. Bis jetzt hatte er nicht einmal davon träumen können, dort etwas zu kaufen.
»Ein Ledersofa, das wäre phantastisch… Aber übertreib es nicht, Jon. Wirf das Geld nicht zum Fenster raus!«
Früher am Tag hatte er auch davon gesprochen, einen Fernseher zu kaufen. »Das werde ich nicht«, sagte er ruhig. »So dumm bin ich nicht.«
Simone winkte ihn in den Flur, wo Georges sie nicht hören konnte. Jonathan schloß sie in die Arme und brachte ihre Frisur durcheinander, als er sie in die aufgehängten Mäntel drückte. Simone flüsterte ihm ins Ohr: »Na gut, [210] meinetwegen. Aber wann mußt du wieder nach Deutschland?«
Diese Reisen gefielen ihr nicht. Er hatte ihr erzählt, daß die Ärzte neue Tabletten ausprobierten, die er dann von Perrier bekam, daß sein Zustand höchstens gleichbleiben oder sich vielleicht verbessern, keineswegs aber verschlechtern könne. Die Summen, die sie ihm seinen Worten nach zahlten, waren so hoch, daß Simone nicht glauben konnte, er gehe kein Risiko ein. Dabei hatte Jonathan ihr nicht einmal gesagt, wieviel Geld nun insgesamt beim Schweizerischen Bankverein in Zürich eingegangen war. Simone wußte nur von ungefähr sechstausend Franc bei der Société Générale in Fontainebleau, statt der üblichen vier- bis sechshundert auf ihrem gemeinsamen Konto, die manchmal auf zweihundert dahinschmolzen, wenn sie eine Rate ihrer Hypothek abbezahlten.
»Ein neues Sofa wäre toll. Aber bist du sicher, es ist richtig, jetzt zu kaufen? Zu diesem Preis? Vergiß die Hypothek nicht!«
»Schatz, wie könnte ich? Diese gottverdammte Hypothek!« Er lachte. Am liebsten würde er sie auf einen Schlag abbezahlen. »Na gut, ich werde vorsichtig sein. Versprochen.«
Entweder dachte er sich eine bessere Geschichte aus oder er verbesserte die jetzige Version. Im Moment aber wollte er sich lieber entspannen und es genießen, an sein neues Vermögen zu denken, mehr nicht – das Geld auszugeben war nämlich nicht einfach. Außerdem konnte er in einem Monat sowieso tot sein. Die drei Dutzend Pillen von Dr. Schröder in München, die er nun einnahm, jeden [211] Tag zwei, würden weder
Weitere Kostenlose Bücher