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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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[202]  Atmosphäre dieser Szene auf die Leinwand bannen: das blasse Gelb der Küchenwand im Sonnenlicht, das zarte Lavendelblau eines bestimmten Kleides, das ihre schönen blauen Augen so gut zur Geltung brachte.
    Am Abend dann, um kurz nach zehn, als Tom und Héloïse vor dem Kamin lagen und die Sonntagszeitungen lasen, klingelte das Telefon. Tom hob ab.
    Es war Reeves. Er klang ganz aufgeregt. Die Verbindung war schlecht.
    »Bleiben Sie dran, ja? Ich geh nach oben und versuch es dort.«
    Reeves sagte, er werde warten. Tom lief die Treppe hinauf und rief Héloïse zu: »Reeves – ganz miese Verbindung!« Die Leitung im ersten Stock war nicht unbedingt besser, aber bei diesem Gespräch wollte er allein sein.
    Reeves fuhr fort: »In meiner Wohnung, habe ich gesagt. In Hamburg. Eine Bombe. Heute nachmittag.«
    »Was? O Gott!«
    »Ich rufe aus Amsterdam an.«
    »Sind Sie verletzt?« fragte Tom.
    »Nein!« Reeves schrie, seine Stimme überschlug sich. »Ein wahres Wunder. Zufällig war ich so gegen fünf gerade nicht da, Gaby auch nicht, sie kommt sonntags nicht. Diese Typen, die – die müssen die Bombe durch die Fensterscheibe geschmissen haben. Ganz schöne Leistung. Die Leute unter mir haben gehört, wie ein Wagen heranjagte, kurz hielt und dann schnell wieder wegfuhr. Zwei Minuten später dann ein furchtbarer Knall. Durch die Explosion sind sämtliche Bilder von den Wänden gefallen.«
    »Einen Moment. Wieviel wissen die?«
    [203]  »Ich dachte, ich verschwinde besser, wenn mir mein Leben lieb ist. Keine Stunde später war ich raus aus der Stadt.«
    »Wie sind die auf Sie gekommen?« schrie Tom in den Hörer.
    »Weiß ich nicht, wirklich nicht. Kann sein, daß Fritz geredet hat, der ist nämlich heute zu einem Treffen mit mir nicht erschienen. Ich hoffe nur, der gute alte Fritz ist okay. Aber er weiß nicht, wie der heißt – du weißt schon, unser Freund. In Hamburg hab ich ihn immer Paul genannt. Aus England, hab ich gesagt. Ehrlich, Tom, ich glaube, die haben nichts als Vermutungen. Im Grunde ist unser Plan aufgegangen, denke ich.«
    Der gute alte optimistische Reeves: seine Wohnung zerstört, sein Besitz vernichtet, doch sein Plan war ein voller Erfolg. »Hören Sie, Reeves, was ist mit… Was machen Sie mit dem restlichen Kram in Hamburg? Ihren Unterlagen zum Beispiel?«
    »Liegen im Banksafe«, gab Reeves zurück. »Die kann ich mir schicken lassen. Außerdem, was für Unterlagen? Keine Sorge, ich habe nur ein einziges kleines Adreßbuch, und das trage ich immer bei mir. Sicher, es ist verdammt schade um all die Platten und Bilder in der Wohnung, aber die Polizei sagt, sie würde darauf aufpassen, so gut sie könne. Natürlich hat die Polizei mich befragt, nett und höflich, versteht sich, und auch nicht lange, aber ich habe gesagt, ich würde noch unter Schock stehen, was ja kaum gelogen war, und müßte für ein Weilchen weg. Die wissen, wo ich bin.«
    »Verdächtigen sie die Mafia?«
    »Wenn ja, sagen sie’s nicht. Tom, alter Junge, vielleicht [204]  rufe ich morgen wieder an. Schreiben Sie sich meine Nummer auf, ja?«
    Widerstrebend notierte Tom den Namen von Minots Hotel, dem Zuyder Zee, und die Telefonnummer.
    »Unser gemeinsamer Freund hat ganze Arbeit geleistet, auch wenn der zweite Hurensohn noch am Leben ist. Für einen blutarmen Burschen wie ihn –« Reeves brach ab und lachte fast hysterisch.
    »Hat er jetzt das ganze Geld bekommen?«
    »Gestern überwiesen«, sagte Reeves.
    »Dann brauchen Sie ihn wohl nicht mehr?«
    »Nein. Die Polizei ist jetzt an der Sache dran. Ich meine, die in Hamburg. Genau das wollten wir. Wie ich höre, sind noch mehr Mafiosi in die Stadt gekommen. Das ist also –«
    Die Verbindung riß ab. Ärger stieg in Tom hoch, er kam sich dumm vor, wie er mit dem summenden Hörer in der Hand dastand. Er hängte auf, wartete einen Augenblick, ob Reeves zurückrufen würde (wohl eher nicht), und versuchte, die Neuigkeiten zu verdauen. So wie er die Mafia kannte, beließen sie es womöglich bei der Bombe in der Wohnung. Vielleicht wollten sie Reeves gar nicht umbringen. Offenbar wußten sie aber, daß er etwas mit den Morden zu tun hatte, also war der Plan, einen Bandenkrieg rivalisierender Mafiafamilien vorzutäuschen, fehlgeschlagen. Andererseits dürfte die Hamburger Polizei sich nun doppelt anstrengen, die Mafia aus der Stadt und den privaten Spielclubs zu vertreiben. Die Lage war unübersichtlich, wie bei allem, was Reeves anpackte. Das Fazit mußte lauten: kein voller

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