Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
Amerikaner immer noch feindselig gegenüber. Er traute ihm nicht. Und jetzt war es zu spät. Gestern im Zug, als Ripley die Zügel in die Hand nehmen wollte, da hätte er sagen können: »Okay, machen Sie’s alleine.« Dann wäre er zu seinem [190] Platz zurückgekehrt. Womit die Hamburger Sache, von der Ripley wußte, nicht ausradiert gewesen wäre, aber… Geld war gestern nicht das Motiv gewesen. Schon vor Ripleys Eintreffen hatte Jonathan einfach panische Angst gehabt. Dazu kam jetzt das Gefühl, nicht zu wissen, womit er sich verteidigen könne. »Sie waren das wohl«, sagte er. »Sie haben verbreitet, mit mir ginge es zu Ende. Sie haben Reeves meinen Namen genannt.«
»Ja.« Tom klang reumütig, aber entschlossen. »Doch Sie hatten die Wahl, oder nicht? Sie hätten zu Reeves Minot nein sagen können.« Tom wartete auf eine Antwort, die nicht kam. »Jetzt ist die Lage allerdings deutlich besser, stimmt’s? Sterben werden Sie noch lange nicht, hoffe ich, und jetzt haben Sie eine ganze Menge Bucks – Quids, würden Sie sagen.«
Toms amerikanisch unschuldiges Lächeln ließ sein Gesicht erstrahlen. Wer ihn so sah, würde nie denken, daß er jemanden mit einer Garrotte erdrosseln könnte, doch genau das hatte er vor rund vierundzwanzig Stunden getan. »Machen Sie öfter solche Scherze?« fragte Jonathan lächelnd.
»Nein, nein, durchaus nicht. War wohl das erste Mal.«
»Und Sie wollen gar nichts von mir?«
»Wüßte nicht, was. Nicht einmal Freundschaft, das wäre gefährlich.«
Jonathan rutschte hin und her, trommelte mit den Fingern auf einer Streichholzschachtel herum. Er zwang sich, damit aufzuhören.
Tom konnte sich vorstellen, was der andere dachte: daß er diesem Mann ausgeliefert sei, ob der nun etwas von ihm [191] wollte oder nicht. Tom sagte: »Ich habe Sie nicht mehr in der Hand als Sie mich. Das mit der Garrotte war ich, oder nicht? Sie könnten genausogut gegen mich aussagen wie ich gegen Sie. Sehen Sie’s mal so.«
»Das stimmt«, sagte Jonathan.
»Vor allem möchte ich Sie beschützen.«
Nun mußte Jonathan lachen. Tom lachte nicht mit.
»Vielleicht ist das gar nicht nötig. Hoffen wir’s. Tja, aber das Problem sind immer die anderen.« Für einen Moment starrte Tom durch die Windschutzscheibe ins Leere. »Ihre Frau zum Beispiel. Was haben Sie ihr erzählt, woher das Geld kommt?«
Das war wirklich ein handfestes und ungelöstes Problem. »Ich habe gesagt, daß die deutschen Ärzte mir Geld geben. Daß sie mich für Tests benutzen.«
»Nicht schlecht.« Tom dachte nach. »Aber vielleicht fällt uns was Besseres ein. Die ganze Summe können Sie so nämlich kaum erklären, nicht wahr, und Sie sollten schon beide etwas davon haben. Wie wäre es mit einem Todesfall in der Familie? Jemand in England? Ein alleinstehender Cousin zum Beispiel?«
Jonathan lächelte. Er sah zu Tom hinüber. »Daran habe ich auch schon gedacht, aber ehrlich gesagt, mir fällt niemand ein.«
Tom begriff, daß Jonathan ungeübt war im Geschichtenerfinden. Er selbst hätte sich für Héloïse etwas einfallen lassen, wäre er unverhofft zu viel Geld gekommen. Er hätte sich einen Exzentriker ausgedacht, der all die Jahre einsam und allein in Santa Fe oder Sausalito gelebt hätte, einen Cousin dritten Grades mütterlicherseits etwa, und dann [192] hätte er diese Figur mit Details ausstaffiert, an die er sich von einem kurzen Treffen in Boston erinnerte, als er noch ein kleiner Junge gewesen sei, ein Waisenjunge (was er wirklich gewesen war). Wie konnte er wissen, daß dieser Cousin ein Herz aus Gold hatte? »Schwer sollte das aber nicht sein, wo doch Ihre Familie in England so weit weg ist. – Uns wird schon noch was einfallen«, fügte er hinzu, als er sah, daß Jonathan widersprechen wollte. Tom sah auf seine Uhr. »Ich werde leider zum Abendessen erwartet. Sie wohl auch. Ach, eines noch: die Kanone. Keine große Sache, aber sind Sie sie losgeworden?«
Die Pistole steckte in der Tasche des Regenmantels, den Jonathan trug. »Ich habe sie bei mir. Und ich würde sie sehr gern loswerden.«
Tom streckte die Hand aus. »Geben Sie her. Damit wäre das erledigt.« Jonathan gab ihm die Waffe, Tom legte sie ins Handschuhfach. »Nie benutzt, also nicht allzu gefährlich, aber italienisches Fabrikat – ich werde sie also verschwinden lassen.« Tom dachte nach. Da war noch etwas. Jetzt war die Zeit dafür, denn er wollte Trevanny nicht noch einmal treffen. Dann fiel es ihm wieder ein: »Ach übrigens, Sie werden
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