Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
Ripley, der Gauthier erzählt hat, du – du würdest nicht mehr lange leben?« Simone sprach leise, obwohl Georges oben war, vermutlich in seinem Zimmer.
Ob Gauthier das zugegeben hatte, als Simone ihn frei [217] heraus fragte? Jonathan wußte nicht, wie der Mann auf eine direkte Frage reagieren würde; außerdem konnte Simone so lange sanft nachbohren, bis sie die gewünschte Antwort bekam. »Gauthier hat mir erzählt…« begann Jonathan. »Na, wie ich schon sagte, er wollte nicht verraten, von wem er es hat. Ich weiß es also nicht.«
Simone musterte ihn. Sie saß auf dem schönen schwarzen Ledersofa, das gestern gekommen war und ihr Wohnzimmer verwandelte. Nur wegen Ripley saß sie dort. Der Gedanke hob Jonathans Stimmung nicht gerade.
»Gauthier hat gesagt, daß es Ripley war?« fragte er mit gespieltem Erstaunen.
»Nicht direkt. Er hat keinen Namen genannt. Aber ich habe ihn einfach gefragt, ob es Monsieur Ripley war. Ich habe ihn beschrieben, den Mann aus dem Konzert neulich. Gauthier wußte, wen ich meinte. Und du kennst ihn anscheinend auch – seinen Namen jedenfalls.« Sie nippte an ihrem Cinzano.
Zitterte ihre Hand, oder bildete er sich das nur ein? »Könnte natürlich sein.« Jonathan zuckte die Achseln. »Vergiß nicht, daß Gauthier sagte, wer es auch war, der es ihm erzählt hat…« Jonathan mußte lachen. »Alles nur Gerüchte, Hörensagen! Also, Gauthier meinte, der Mann, wer es auch war, hätte gesagt, er könnte sich geirrt haben, es würde ja viel übertrieben. Wirklich, Schatz, am besten vergessen wir das Ganze. Es ist unklug, einem Mann, den wir nicht kennen, die Schuld zu geben. Und so viel Wind darum zu machen.«
»Ja, aber…« Simone legte den Kopf schief und verzog verbittert den Mund, was Jonathan bei ihr bisher nur sehr [218] selten gesehen hatte. »Das Komische ist, es war Ripley. Das weiß ich. Nein, Gauthier hat das nicht gesagt. Doch ich hab’s gespürt… Jon?«
»Ja, Liebes?«
»Es ist nur… Dieser Ripley, der ist doch fast ein Verbrecher, vielleicht sogar wirklich einer. Viele Verbrecher werden nie geschnappt, nicht? Deshalb frage ich. Ich frage dich, Jon: Das viele Geld – kommt es zufällig von diesem Monsieur Ripley?«
Jonathan zwang sich, Simone in die Augen zu sehen. Er mußte zuerst an sich und die Seinen denken, und so eng war seine Verbindung zu Ripley nicht, daß ein Nein gelogen wäre. »Wie das? Warum denn, mein Schatz?«
»Weil er eben ein Gauner ist, darum! Wer weiß, warum und wofür? Was hat er mit diesen deutschen Ärzten zu tun? Sind das wirklich Ärzte, von denen du da redest?« Sie klang fast hysterisch. Das Blut schoß ihr ins Gesicht.
Jonathan runzelte die Stirn. » Chérie, Perrier hat doch meine beiden Befunde!«
»Irgendwas an diesen Tests ist gefährlich, Jon, sonst würden sie dir nicht so viel zahlen. Hab ich recht? Du sagst mir nicht die ganze Wahrheit, das fühle ich.«
Jonathan lachte kurz auf. »Was sollte Tom Ripley, dieser Nichtstuer… Außerdem ist er Amerikaner. Was sollte der mit deutschen Ärzten zu schaffen haben?«
»Du bist nach Deutschland geflogen und zu den Ärzten gegangen, weil du Angst hattest, du würdest bald sterben. Und es war Ripley, da bin ich fast sicher, der verbreitet hat, daß du bald sterben würdest.«
Georges kam die Treppe heruntergepoltert und sprach [219] dabei mit einem Spielzeugtier, das er neben sich herschleifte. Georges, in seiner Traumwelt und doch gegenwärtig, nur wenige Meter von ihm entfernt. Jonathan verwirrte das. Unglaublich, daß Simone so viel herausgefunden hatte. Im ersten Moment wollte er alles rundweg abstreiten, koste es, was es wolle.
Simone wartete auf ein Wort von ihm.
Er sagte: »Ich weiß nicht, wer es Gauthier erzählt hat.«
Georges stand in der Tür. Jetzt war Jonathan erleichtert, daß er kam, denn damit war das Gespräch beendet. Georges wollte etwas über einen Baum vor seinem Fenster wissen. Jonathan hörte nicht zu und ließ Simone antworten.
Während des Essens wurde er das Gefühl nicht los, daß Simone ihm eigentlich nicht glaubte, daß sie ihm zwar glauben wollte, es aber nicht konnte. Trotzdem war sie kaum anders als sonst, vielleicht wegen Georges, weder kühl noch schlecht gelaunt. Jonathan aber fand die Stimmung ungemütlich. Und so würde sie bleiben, solange ihm kein überzeugenderer Grund für die Sonderzahlungen der deutschen Krankenhäuser einfiel. Die Vorstellung, weiter zu lügen, noch größere Gefahren für sich zu erfinden, um damit das
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