Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
holte dann das Gewehr und schlüpfte durch die Tür, die Tom leise schloß, zurück ins Haus. Tom nahm das Holzscheit und ließ es auf den Kopf des Mannes niedersausen. Der Blondschopf hatte seinen Hut verloren, der nun verkehrt herum auf dem Marmorboden lag. Tom streckte die Hand nach dem Gewehr aus, Jonathan reichte es ihm, und Tom hieb dem Mann den Stahlkolben auf die Schläfe.
Jonathan wollte seinen Augen nicht trauen. Blut floß über den weißen Marmor. Vor ihm lag der stämmige Leibwächter mit dem blonden Kraushaar, der im Zug so nervös gewesen war.
»Den Scheißkerl hätten wir!« zischte Tom befriedigt. »Das ist dieser Leibwächter. Passen Sie auf, die Kanone!«
Eine Pistole ragte aus der rechten Jackentasche des Mannes.
»Weiter, ins Wohnzimmer!« sagte Tom. Beide zogen und schoben den Mann über den Boden. »Vorsicht mit dem Teppich dort, das Blut!« Er stieß den Teppich beiseite. »Gleich geht es weiter, sicher sind sie zu zweit oder zu dritt.«
[287] Er zog ein Taschentuch – lavendelblau, mit Monogramm – aus der Brusttasche des Mannes und wischte damit eine Blutlache neben der Tür auf. Dann beförderte er den Hut mit einem Fußtritt über den Körper bis vor die Tür zur Küche. Er verriegelte die Haustür, die Linke über den Riegel gelegt, um jeden Lärm zu vermeiden. »Beim nächsten wird’s vielleicht nicht so einfach«, flüsterte er.
Schritte auf dem Kies, dann klingelte jemand zweimal nervös.
Tom lachte lautlos und zog die Luger. Er bedeutete Jonathan, ebenfalls zur Waffe zu greifen. Plötzlich krümmte er sich wie im Krampf, um einen Lachanfall zu unterdrükken. Er richtete sich auf, grinste Jonathan an und wischte sich die Tränen aus den Augen.
Jonathan lächelte nicht.
Wieder läutete die Türglocke, diesmal lange und ununterbrochen.
Im Bruchteil einer Sekunde war Tom wie verwandelt. Er runzelte die Stirn und verzog das Gesicht, als wisse er nicht mehr weiter.
»Schießen Sie nicht«, flüsterte er, »es sei denn, Sie können nicht anders.« Die linke Hand streckte er zur Tür aus.
Vermutlich wollte Tom die Tür öffnen und schießen, dachte Jonathan, oder den Mann mit der Waffe in Schach halten.
Wieder das Knirschen von Schritten. Der Mann dort draußen näherte sich dem Fenster, dessen Vorhänge ganz zugezogen waren. Jonathan stahl sich vom Fenster weg.
»Angi? – Angi!« zischte der Mann.
»Gehen Sie zur Tür, und fragen Sie ihn, was er will«, [288] flüsterte Tom. »Und zwar auf Englisch, als wären Sie der Butler. Lassen Sie ihn rein, ich halte ihn in Schach. Können Sie das?«
Ob er es konnte oder nicht, darüber dachte Jonathan lieber nicht nach. Nun klopfte der Mann an die Tür, dann klingelte er wieder. »Wer ist da, bitte?« rief Jonathan vor der Tür.
»Je – je voudrais demander mon chemin, s’il vous plaît.« Ein ziemlich starker Akzent.
Tom grinste verächtlich.
»Wen möchten Sie sprechen, Sir?« fragte Jonathan.
»Une direction, s’il vous plaît!« schrie der Mann schon fast verzweifelt.
Tom und Jonathan wechselten einen Blick, dann bedeutete Tom ihm mit einer Handbewegung, die Tür zu öffnen. Er selbst stand gleich links neben der Tür, von außen gesehen, würde aber bei geöffneter Tür von ihr verdeckt.
Jonathan schob den Riegel zurück, drehte den Knauf des automatischen Schlosses und öffnete die Tür nur halb. Er erwartete einen Schuß in den Bauch, stand aber dennoch gerade und hochaufgerichtet da, die rechte Hand an der Pistole in seiner Jackentasche.
Der etwas kleinere Italiener, der einen Hut trug, genau wie der andere, hatte ebenfalls eine Hand in die Jackentasche gesteckt. Er war sichtlich überrascht, einen großen, eher gewöhnlich gekleideten Mann vor sich zu sehen.
»Sir?« Jonathan bemerkte, daß der linke Jackenärmel des Mannes leer war.
Als der Mann einen Schritt ins Haus trat, stieß Tom ihm die Luger in die Seite.
[289] »Deine Kanone!« sagte Tom auf italienisch.
Auch Jonathan richtete seine Pistole auf ihn. Der Mann zog die Jackentasche hoch, als wolle er schießen, und Tom drückte ihm die Linke ins Gesicht. Der Italiener schoß nicht, er schien wie gelähmt, als er auf einmal Ripley so nah vor sich sah.
»Riiipley!« In seiner Stimme mischten sich Schrecken, Verblüffung und etwas wie Triumph.
»Ja, ja, schon gut. Her mit der Kanone!« befahl Tom auf englisch, stieß den Mann erneut in die Rippen und trat die Tür mit dem Fuß zu.
Der Italiener begriff. Auf Toms Zeichen ließ er die Pistole
Weitere Kostenlose Bücher