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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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fallen. Dann sah er seinen Kumpan ein paar Meter weiter auf dem Boden liegen und fuhr zusammen, die Augen weit aufgerissen.
    »Verriegel die Tür, Jonathan«, sagte Tom. Dann, auf italienisch: »Seid ihr noch mehr?«
    Der Italiener schüttelte heftig den Kopf, was gar nichts bedeuten mußte. Er trug seinen Arm unter der Jacke in einer Schlinge. Soweit also zu den Zeitungsmeldungen.
    »Paß auf ihn auf, während ich ihn filze.« Tom begann, den Mann zu durchsuchen. »Weg mit der Jacke!« Er riß dem Italiener den Hut vom Kopf und warf ihn in Angis Richtung.
    Der Italiener ließ sein Jackett von den Schultern zu Boden gleiten. Das Schulterhalfter war leer, auch in den Taschen trug er keine Waffen.
    »Angi…?« sagte der Italiener.
    »Angi è morto«, erwiderte Tom. »Genau wie du gleich, wenn du nicht tust, was wir sagen. Du willst wohl [290]  unbedingt sterben? Wie heißt du? Wie du heißt, will ich wissen!«
    »Lippo. Filippo.«
    »Lippo. Die Hände hoch und nicht bewegen. Die eine Hand. Geh, stell dich dorthin.« Er wies auf den Toten. Lippo hob den unverletzten rechten Arm. »Halt ihn in Schach, Jon, ich will mir mal ihren Wagen ansehen.«
    Die Luger schußbereit in der Hand, ging Tom hinaus auf die Straße, wandte sich nach rechts und näherte sich vorsichtig dem Auto. Der Motor lief. Der Wagen stand mit eingeschaltetem Standlicht am Straßenrand. Tom blieb stehen, schloß einige Sekunden lang die Augen, riß sie dann weit auf und versuchte festzustellen, ob sich links und rechts vom Wagen oder hinter der Rückscheibe etwas bewegte. Langsam und stetig kam er näher, er rechnete mit einem Schuß aus dem Auto. Stille. Hatten sie wirklich nur zwei Mann geschickt? In der Aufregung hatte er die Taschenlampe vergessen. Tom öffnete die linke Tür, die Pistole auf den Vordersitz gerichtet, falls dort jemand kauern sollte. Die Innenbeleuchtung ging an. Der Wagen war leer. Tom schloß die Tür gerade so weit, daß das Licht ausging, beugte sich herab und horchte. Kein Laut. Er lief zurück und öffnete das Einfahrtstor, dann eilte er zum Wagen und fuhr ihn rückwärts auf den Kies vor dem Haus. Im selben Moment kam auf der Straße aus Richtung des Dorfes ein Auto vorbei. Tom stellte Motor und Licht ab. An der Tür klopfte er und sagte seinen Namen, damit Jonathan öffnete.
    »Anscheinend sind das alle«, sagte Tom.
    Jonathan stand dort, wo er ihn zuletzt gesehen hatte, [291]  und zielte mit der Pistole auf Lippo, der den unverletzten Arm gesenkt hatte und etwas abgespreizt hielt. Tom lächelte erst Jonathan, dann Lippo zu. »Bist du jetzt der einzige, Lippo? Wenn du lügst, ist finito für dich, kapiert?«
    Der Mann schien seinen Mafiastolz zurückzugewinnen. Er starrte Tom nur an, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt.
    » Rispondi, du…!«
    »Sì!« stieß Lippo wütend und verängstigt hervor.
    »Wirst du müde, Jonathan? Setz dich.« Tom schob ihm einen gelben Polstersessel hin. »Du auch, wenn du willst«, sagte er zu Lippo. »Dort neben deinen Kumpel.« Tom sprach Italienisch. Sein Slang kam zurück.
    Der Mann aber blieb stehen. Knapp über Dreißig, vermutete Tom, ungefähr einssechzig, runde, aber kräftige Schultern und schon ein kleiner Bauch, hoffnungslos dumm, kein zukünftiger Capo. Glattes, schwarzes Haar und ein blasses, olivendunkles Gesicht, das nun leicht ins Grünliche spielte.
    »Komme ich dir vielleicht bekannt vor? Aus dem Zug? Ein kleines bißchen?« Tom sah lächelnd hinab auf den blonden Hünen. »Wenn du dich anständig benimmst, Lippo, endest du nicht so wie Angi. Verstanden?« Er stützte die Hände in die Hüften und lächelte Jonathan zu. »Wie wär’s mit einem Gin Tonic zur Stärkung? Geht’s besser, Jonathan?« Der hatte wieder Farbe bekommen.
    Jonathan nickte, lächelte verkniffen. »Ja.«
    Tom ging in die Küche. Er zog gerade die Eiswürfelschale aus dem Kühlschrank, als das Telefon klingelte. »Nicht rangehen, Jonathan!«
    [292]  »In Ordnung.« Viertel vor zehn: Jonathans Gefühl sagte ihm, daß es wieder Simone war.
    Tom fragte sich, wie er Lippo zwingen konnte, seine Kumpane auf eine falsche Fährte zu locken. Das Telefon klingelte achtmal, dann verstummte es. Unbewußt hatte er mitgezählt. Er nahm ein Tablett mit zwei Gläsern, Eis und einer angebrochenen Flasche Tonic Water und ging ins Wohnzimmer. Der Gin stand auf dem Barwagen neben dem Eßtisch. Tom reichte Jonathan seinen Drink und sagte: »Prost!« Dann, an Lippo gewandt: »Wo ist dein Hauptquartier, Lippo?

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