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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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abgelehnt. Toms Unruhe steckte ihn an, doch soweit er sehen konnte, hatte Tom eigentlich keinen Grund, so ängstlich zu sein.
    »Ich dachte, ich hätte denselben Wagen gesehen wie heute morgen. Einen dunkelblauen Citroën. Der von heute morgen hatte ein Pariser Nummernschild. Ich kenne die meisten Autos aus der Gegend, nur wenige sind in Paris zugelassen.«
    [281]  »Konnten Sie denn eben das Kennzeichen lesen?« Jonathan kam es schon dunkel vor, er hatte die Lampe neben sich angeknipst.
    »Nein. Ich hole das Gewehr.« Tom lief die Treppe hinauf und kam kurz danach mit der Waffe zurück. Alle Lichter oben im Haus hatte er wieder gelöscht. Zu Jonathan sagte er: »Wenn ich’s irgendwie vermeiden kann, will ich nicht schießen. Ist viel zu laut. Die Jagdzeit ist vorbei – ein Schuß, und wir hätten die Nachbarn auf dem Hals oder sonstwen, der hier herumschnüffeln will. Jonathan?«
    Der war aufgestanden. »Ja?«
    »Kann sein, daß Sie das Ding hier wie eine Keule schwingen müssen.« Tom zeigte ihm, wie er den Kolben, den schwersten Teil der Waffe, am wirkungsvollsten einsetzen konnte. »Falls Sie schießen müssen, dann schauen Sie jetzt zu, wie das geht. Im Moment ist die Waffe gesichert.« Tom zeigte es ihm.
    Aber sie sind doch nicht hier, dachte Jonathan. Und fühlte sich zugleich seltsam unwirklich, so wie schon in Hamburg und München, als ihm klar geworden war, daß es die menschlichen Ziele wirklich gab und sie bald in Fleisch und Blut vor ihm stehen würden.
    Tom berechnete, wie lange der Citroën für eine langsame Fahrt auf der Ringstraße brauchen würde, die zurück ins Dorf führte. Natürlich konnten die Männer auch irgendwo wenden und sofort zurückfahren. »Ich glaube, wenn einer von denen an die Tür kommt und ich aufmache, schießt der mich über den Haufen«, sagte er. »Das wäre das einfachste für sie, nicht? Der Kerl mit der Kanone springt in den wartenden Wagen, und weg sind sie.«
    [282]  Jonathan fand Tom ein bißchen überspannt, hörte aber aufmerksam zu.
    »Möglich ist auch, daß sie eine Bombe durch das Fenster werfen.« Tom zeigte auf das Fenster zur Straße. »Genau wie bei Reeves. Wenn es Ihnen also nichts ausmacht… Ich meine, es tut mir leid, aber ich bin es nicht gewohnt, mit anderen Pläne zu schmieden. Normalerweise improvisiere ich. Also, wenn es Ihnen nichts ausmacht, könnten Sie sich vielleicht im Gebüsch rechts von der Tür verstekken, dort ist es dichter, und jeden niederschlagen, der an der Tür klingelt, ja? Womöglich klingeln die gar nicht, aber wenn sie eine Bombe werfen wollen, bin ich mit der Luger da. Falls einer zur Tür kommt, schlagen Sie schnell zu, denn der Mann wird auch schnell sein. Er wird eine Kanone in der Tasche haben und nur frei zum Schuß kommen wollen, und zwar auf mich.« Tom ging zum Kamin. Er hatte Feuer machen wollen, es dann aber vergessen. Aus dem Holzkorb nahm er ein Scheit und legte es auf den Boden rechts von der Haustür. Es war nicht so schwer wie die Amethystvase auf der Kommode daneben, aber viel handlicher.
    »Und wenn ich nun aufmache?« fragte Jonathan. »Wenn die wissen, wie Sie aussehen, so wie Sie sagen, dann werden sie merken, daß Sie’s nicht sind, und –«
    »Nein.« Jonathans mutiges Angebot überraschte Tom. »Zunächst einmal warten die vielleicht gar nicht erst, sondern schießen sofort. Und selbst wenn sie es merken und Sie sagen, ich wohnte hier nicht oder wäre nicht zu Hause, würden die Sie einfach beiseite schieben und selber nachsehen oder…« Tom mußte lachen, als er sich vorstellte, [283]  wie der Mafioso Jonathan eine Kugel in den Bauch jagte und ihn gleichzeitig ins Haus drängte. »Ich denke, wenn’s recht ist, sollten Sie jetzt Posten vor der Tür beziehen. Wie lange Sie dort draußen bleiben müssen, weiß ich nicht, aber ich kann Ihnen ja immer etwas zu essen oder zu trinken bringen.«
    »Kein Problem.« Jonathan nahm das Gewehr entgegen und ging hinaus. Auf der Straße vor dem Haus war alles ruhig. Er stand im Schatten des Hauses und schwang die Waffe zur Probe durch die Luft, so hoch, daß der Kolben einen Mann auf den Stufen am Kopf treffen müßte.
    »Gut«, sagte Tom. »Wie wär’s jetzt mit einem Scotch? Das Glas können Sie im Gebüsch liegen lassen. Macht nichts, wenn es zerbricht.«
    Jonathan lächelte. »Nein, danke.« Er kroch in das Gebüsch, mehr als einen Meter hohe Sträucher, Zypressen wohl und auch Lorbeer. Wo er kauerte, war es stockdunkel; das Versteck schien perfekt. Tom

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