Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
Milano?«
Lippo zog es vor, weiter überheblich zu schweigen. Was für ein Langweiler. Er würde ihn ein bißchen weichklopfen müssen. Voller Abscheu betrachtete Tom die angetrocknete Blutlache unter Angis Kopf. Er stellte sein Glas auf der Kommode neben der Tür ab und ging in die Küche, wo er einen dicken Scheuerlappen anfeuchtete (einen torchon, wie Madame Annette das nannte) und damit das Blut von dem Parkett wischte, das sie gebohnert hatte. Mit dem Fuß stieß Tom Angis Kopf zur Seite und legte den Lappen darunter. Es kam kein Blut mehr. Einer Eingebung folgend, durchsuchte Tom die Taschen des Toten in Hose und Jacke genauer. Er fand Zigaretten, ein Feuerzeug, Kleingeld, eine Brieftasche in der Brusttasche des Jacketts, die er dort ließ. In der hinteren Hosentasche steckte ein zusammengeknülltes Taschentuch, und als er es herauszog, fand er eine Garrotte darin eingewickelt. »Sieh mal!« sagte Tom zu Jonathan. »Genau was ich suchte. Ah, diese Rosenkränze der Mafia!« Tom hielt die Schlinge hoch und lachte vor Vergnügen. »Für dich, Lippo, wenn du ein böser Junge bist«, [293] setzte er auf italienisch hinzu. »Kanonen machen Lärm, und den wollen wir schließlich nicht, oder?«
Jonathan blickte zu Boden, als Tom auf Lippo zuschlenderte, die Garrotte um den Finger wirbelnd.
»Lippo, du gehörst zur ruhmreichen Genotti-Familie. Non è vero? «
Lippo zögerte, doch nur für einen Moment, als habe er kurz daran gedacht, es abzustreiten. »Sì«, antwortete er bestimmt, eine Spur vergogna in der Stimme.
Tom fand das lustig. Gemeinsam und geschlossen waren diese Familien stark. Allein aber waren ihre Mitglieder feige, so wie dieser Mann hier, wurden blaß oder eben grün im Gesicht. Lippo tat ihm leid, wegen des Arms, aber er hatte noch gar nicht angefangen, den Mann zu foltern, und er kannte die Martern der Mafia für ihre Opfer, wenn diese Geld nicht herausrückten oder bestimmte Gefälligkeitsdienste verweigerten: Man zog ihnen Zähne und Zehennägel, drückte brennende Zigaretten auf ihnen aus. »Wie viele Leute hast du schon umgelegt, Lippo?«
»Nessuno!« rief Lippo.
»Keinen«, übersetzte er für Jonathan. »Sehr witzig.« Tom ging in die kleine Toilette gegenüber der Haustür und wusch sich die Hände. Dann leerte er seinen Drink, nahm das Holzscheit, das neben der Tür lag, in die Hände und näherte sich dem Italiener. »Lippo, noch heute abend wirst du deinen Boss anrufen. Vielleicht deinen neuen Capo, eh ? Wo ist er heute abend? In Milano? Monaco di Baviera?« Tom zog Lippo mit dem Scheit eins über, nur zum Zeichen, daß er es ernst meinte, aber der Schlag auf den Kopf fiel ziemlich heftig aus, weil Tom nervös war.
[294] »Aufhören!« schrie Lippo. Er wankte und wäre fast zu Boden gegangen. Eine Hand preßte er mitleidheischend auf den Kopf. »Was denn ich, wo ich bloß einen Arm hab?« kreischte er. Nun fiel er in sein richtiges Italienisch zurück, in die Gossensprache von Neapel, vielleicht auch von Mailand. Tom war da kein Fachmann.
» Sì, sì! Und auch noch zwei gegen einen!« versetzte Tom. »Wir spielen nicht fair, wie? Willst du dich darüber beschweren?« Mit einem üblen italienischen Schimpfwort fuhr Tom herum und ging eine Zigarette holen. »Warum betest du nicht schon mal zur Jungfrau Maria?« bemerkte er über die Schulter. »Und noch was«, sagte er auf Englisch. »Kein Geschrei mehr, oder ich schlag dir das Ding hier über den Schädel, bevor du no sagen kannst!« Er schwang das Feuerholz durch die Luft, ssswisch, damit Lippo ihn richtig verstand. »Das Holz hat Angi getötet.«
Lippo blinzelte ein paarmal. Den Mund leicht geöffnet, atmete er keuchend und flach.
Jonathan hatte sein Glas geleert und zielte nun mit der Pistole auf Lippo, hielt sie in beiden Händen, weil sie ihm schwer geworden war. Er war sich gar nicht sicher, daß er Lippo treffen würde, sollte er schießen müssen, zumal Tom oft zwischen ihm und dem Mann stand. Jetzt schüttelte er den Italiener am Gürtel. Jonathan verstand nicht alles, was Tom sagte: kurze, knappe Sätze auf italienisch, der Rest war Französisch oder Englisch. Tom sprach meist leise, doch schließlich wurde er wütend und laut, stieß den Italiener zurück und wandte sich um. Der Mann hatte kaum ein Wort gesagt.
Tom ging zum Radio, drückte ein paar Knöpfe, und ein [295] Cellokonzert ertönte. Er drehte den Regler auf mittlere Lautstärke und versicherte sich, daß die Vorhänge zur Straße vollständig zugezogen
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