Riptide - Mörderische Flut
hat. Damit kommen Rankin, Magnusen, St. John und Bonterre in Frage. Vielleicht sogar Wopner, der dann seinen eigenen Machenschaften zum Opfer gefallen wäre.«
Hatch wunderte sich insgeheim, wie Neidelman so über Wopner sprechen konnte, wo doch sein zermalmter Körper keine zwei Meter neben ihm lag. »Und was ist mit Streeter?« fragte er.
Der Kapitän schüttelte den Kopf. »Streeter und ich arbeiten schon zusammen, seit wir gemeinsam in Vietnam waren. Er war Unteroffizier auf meinem Kanonenboot. Ich weiß, daß Sie und er sich nicht ganz grün sind, und ich weiß auch, daß er manchmal ein ziemlich seltsamer Kauz ist, aber ein Saboteur ist er ganz gewiß nicht. Nie im Leben. Er hat seinen gesamten Besitz in dieses Unternehmen investiert, aber die Sache geht noch tiefer als das. Ich habe ihm damals in Vietnam das Leben gerettet. Zwischen Männern, die Seite an Seite gekämpft haben, gibt es keine Lüge mehr.«
»Na schön«, sagte Hatch. »Aber auch bei allen anderen kann ich mir keinen Grund vorstellen, aus dem sie die Ausgrabung sabotieren sollten.«
»Ich mir schon«, erwiderte Neidelman. »Einer davon wäre zum Beispiel Industriespionage. Thalassa ist nämlich nicht die einzige Schatzsucherfirma der Welt. Wenn wir scheitern oder bankrott gehen, machen wir den Platz für jemand anderen frei.«
»Aber ohne meine Zustimmung läuft hier gar nichts.«
»Das wissen die anderen doch nicht.« Neidelman hielt inne. »Und außerdem könnten sie immer noch versuchen, Sie umzustimmen.«
»Ich weiß nicht recht«, sagte Hatch. »Es fällt mir schwer zu glauben, daß irgendwer aus der Truppe…« Er ließ den Satz unvollendet, weil ihm eine Begegnung in den Sinn kam, die er tags zuvor mit Magnusen im Lagerraum für die ausgegrabenen Artefakte gehabt hatte. Sie hatte die Dublone, die Bonterre gefunden hatte, in der Hand gehalten. Hatch hatte es überrascht, daß die Ingenieurin, die sonst immer so unpersönlich und kontrolliert gewirkt hatte, die Münze mit einem Gesichtsausdruck reiner, nackter Gier angestarrt hatte. Als Hatch unvermutet in den Raum gekommen war, hatte sie das Goldstück mit einer verstohlenen, fast schuldbewußten Geste zurückgelegt.
»Bedenken Sie immer, daß es hier um einen Schatz im Wert von zwei Milliarden Dollar geht«, sagte der Kapitän. »Es gibt eine Menge Menschen, die einen Schnapsladenbesitzer für zwanzig Dollar umbringen. Wie viele mehr würden jede Art von Verbrechen begehen -Mord eingeschlossen -, wenn sie dafür zwei Milliarden Dollar bekämen?«
Die Frage blieb unbeantwortet. Neidelman stand auf, ging ruhelos vor dem Fenster hin und her und zog dabei fest an seiner Pfeife. »Jetzt, wo die Grube trockengelegt ist, können wir unser Personal auf die Hälfte reduzieren, was unsere Aufgabe unter Sicherheitsaspekten etwas erleichtern dürfte. Den Lastkahn und den Schwimmkran habe ich bereits nach Portland zurückgeschickt. Über eines sollten wir uns allerdings nichts vormachen: Selbst wenn wir einen Saboteur unter uns hätten, der durch eine Manipulation an den Computern dafür gesorgt hat, daß Kerry heute morgen mit uns in die Grube mußte, so war es doch Macallan, der ihn umgebracht hat. Genauso wie Ihren Bruder, Malin.« Neidelman wandte sich vom Fenster ab. »Der Mann schafft es immer wieder, über eine Zeitspanne von drei Jahrhunderten hinweg tödliche Schläge auszuteilen. Verdammt noch mal, wir dürfen es nicht zulassen, daß er uns jetzt besiegt. Wir werden uns seiner Grube bemächtigen und uns das Gold holen. Und das Schwert.«
Hatch saß in der Dunkelheit und spürte, wie eine Unzahl einander widersprechender Gefühle in ihm aufwallte. Auch wenn er die Wassergrube noch nie unter diesem Gesichtspunkt betrachtet hatte, so hatte das, was Neidelman sagte, doch Hand und Fuß: Auf eine gewisse Weise war Macallan tatsächlich schuld am Tod seines Bruders, wie er es jetzt auch am Tod von Kerry Wopner war. Im Grunde genommen war die Wassergrube nichts weiter als eine grausame, kaltblütig entworfene Todesmaschine.
»Von einem Saboteur weiß ich nichts«, sagte er langsam. »Aber im Hinblick auf Macallan haben Sie recht. Denken Sie nur an den Tagebucheintrag, den St. John heute entschlüsselt hat. Er hat die Wassergrube so konstruiert, daß sie jeden Eindringling tötet. Um so wichtiger ist es, daß wir uns jetzt eine Ruhepause gönnen, das Tagebuch genau studieren und unseren Plan noch einmal durchdenken. Wir sind bisher zu schnell vorgegangen. Viel zu schnell.«
»Aber das
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