Riptide - Mörderische Flut
Stein herauskriegen, dann hat er vielleicht noch eine Chance. Hatch schüttelte den Kopf, um seine Benommenheit zu vertreiben.
Unter seinen Füßen bebte der Boden erneut, und gleichzeitig rieselte von der Decke etwas Erde herab. Wopner heulte vor Schmerz auf. Es war ein hoher, kaum menschlich klingender Laut.
» Mon dieu , was war denn das?« fragte Bonterre und blickte hinauf zur Decke.
»Sie sollten jetzt besser gehen«, sagte Hatch ruhig.
»Auf keinen Fall«, entgegnete Bonterre.
»Kerry?« Hatch lugte wieder in den Spalt. »Hören Sie mich, Kerry?«
Wopner starrte ihn an und ließ ein heiseres Stöhnen hören. Sein Atem ging pfeifend und gurgelnd.
Hatch vernahm, wie Neidelman mit dem Transportbehälter, den Streeter herabgelassen hatte, den Tunnel entlangkam. Er holte verzweifelt Luft und bemerkte, wie in seinem Kopf ein leises Brummen begann.
»Krieg keine Luft!« brachte Wopner mühsam hervor. Seine Augen waren blaß und glasig.
»Kerry? Sie schaffen es. Halten Sie durch!«
Wopner keuchte und hustete abermals. Ein dünnes Rinnsal Blut rann ihm aus dem Mund übers Kinn.
Raschen Schrittes kam Neidelman in den Raum zurück. Er warf zwei hydraulische Hebeböcke und eine kleine Sauerstoffflasche auf den Boden. Hatch nahm die dazugehörige Atemmaske und schraubte ihren Schlauch in den Regulator. Dann öffnete er das Ventil der Flasche und hörte gleich darauf das erlösende Zischen des ausströmenden Sauerstoffs.
Neidelman und Bonterre rissen fieberhaft die Plastikfolie um die Hebeböcke auf und setzten die Teile zusammen. Wieder erbebte die Wand, und Hatch spürte, wie die Steinplatte unter seiner Hand unaufhaltsam ein weiteres Stück näher heranrückte.
»Beeilung!« schrie er, während in seinem Kopf alles zu wirbeln begann. Er drehte das Ventil voll auf und drückte die Sauerstoffmaske in den schmaler gewordenen Spalt zwischen Steinplatte und Wand. »Kerry«, sagte er, »ich werde Ihnen jetzt diese Maske ans Gesicht halten.« Er keuchte und schnappte nach Luft, um weitersprechen zu können. »Ich möchte, daß Sie kurz und flach atmen. Okay? In ein paar Sekunden werden wir die Steinplatte von Ihnen weghebeln.«
Er preßte Kerry die Plastikmaske aufs Gesicht, wobei er sie stark biegen mußte, damit sie überhaupt unter den deformierten Helm paßte. Erst jetzt wurde ihm bewußt, wie stark der Mann eingeklemmt war. Wopners feuchte angsterfüllte Augen starrten ihn hilfesuchend an.
Neidelman und Bonterre sagten kein Wort; sie bauten konzentriert die Hebeböcke zusammen.
Hatch verdrehte den Hals, um besser in den Spalt hineinsehen zu können. Wopners Gesicht war jetzt beängstigend schmal, und die Ränder des Helms hatten sich schon so tief in seine Schläfen geschnitten, daß ihm das Blut über die Wangen lief. Das enorme Gewicht der Steinplatte hatte ihm den Unterkiefer so weit abgespreizt, daß er weder sprechen noch schreien konnte. Seine linke Hand zuckte wie in Krämpfen und strich mit purpurroten Fingerspitzen über die rauhe Oberfläche des Steins. Aus Mund und Nase drang das leise Geräusch ausströmender Luft. Hatch wußte, daß der Druck des Steins ihm jetzt die Atmung praktisch unmöglich machte.
»Hier!« sagte Neidelman und reichte Hatch einen Hebebock. Hatch versuchte vergeblich, ihn in den schmalen Spalt zu pressen.
»Zu breit!« keuchte er und gab den Bock zurück. »Drehen Sie ihn zurück.«
Dann wandte er sich wieder an Wopner. »Kerry, ich möchte, daß Sie genau das tun, was ich Ihnen sage. Ich zähle jetzt Ihre Atemzüge für Sie, okay? Eins… zwei…«
Unter seinen Füßen verspürte Hatch ein starkes Beben, und mit einem scharfen, kratzenden Geräusch rückte die Steinplatte plötzlich so nahe an die Wand, daß sogar seine Hand eingeklemmt wurde. Wopner zitterte heftig und ließ ein feuchtes Keuchen hören. Im Licht seiner Helmlampe sah der entsetzte Hatch mit erbarmungsloser Klarheit, wie dem Programmierer die Augen aus den Höhlen gedrückt wurden und erst rosa, dann rot und schließlich fast schwarz wurden. Mit einem Knall zerbarst der Helm entlang seiner Nahtstelle in zwei Teile, und frisches hellrotes Blut mischte sich mit dem Schweiß auf Wopners Nase und Stirn. Blut ergoß sich auch aus Ohren und Fingerspitzen. Die Steinplatte rückte noch weiter an die Wand heran. Wopner wurde der Unterkiefer zur Seite gequetscht, so daß seine nach vorn quellende Zunge fast die durchsichtige Plastikmaske ausfüllte.
»Der Stein bewegt sich immer noch!« schrie Hatch. »So tut
Weitere Kostenlose Bücher