Riptide - Mörderische Flut
Gangway hinüber auf das andere Schiff. Er folgte Neidelman in einen langen schmalen Gang mit hellgrau gestrichenen Wänden. Nachdem der Kapitän ihn durch mehrere verlassene Labors und einen Speisesaal geführt hatte, blieb er vor einer Tür mit der Aufschrift COMPUTERRAUM stehen.
»Wir verfügen hier an Bord über mehr Rechenleistung als eine kleine Universität«, erklärte Neidelman mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. »Aber wir brauchen sie nicht nur zum Entschlüsseln von Macallans Tagebuch, sondern auch für unsere Navigationssysteme und den auf der Basis neuronaler Netze arbeitenden Autopiloten des Schiffes. Zur Not könnte sich die ›Cerberus‹ sogar von allein steuern.«
»Ich hatte mich schon gefragt, wo die ganzen Leute sind«, sagte Hatch.
»Wir haben nur eine Rumpfmannschaft an Bord, wie auf den anderen Schiffen übrigens auch. Thalassa vertritt die Philosophie der flexiblen Ressourcen. Sollte es nötig sein, könnte ich bis morgen früh ein Dutzend Wissenschaftler mobilisieren oder auch ein Dutzend Männer mit Schaufeln und Pickeln. Ansonsten aber versuchen wir, unser Team so klein und qualifiziert wie möglich zu halten.«
»Darüber wird Ihre Buchhaltung bestimmt sehr glücklich sein«, meinte Hatch scherzhaft.
»Nicht nur die«, antwortete Neidelman ernst. »Das Ganze macht auch unter Sicherheitsaspekten einen Sinn. Man soll das Schicksal schließlich nicht unnötig herausfordern.«
Der Kapitän bog um die Ecke, vorbei an einer schweren Metalltür, die einen Spalt offenstand. Hatch warf einen Blick hinein, und er sah eine Reihe von Schwimmwesten an der Wand hängen. Und daneben war ein Waffenständer mit mehreren Schrotflinten und zwei kleineren Waffen aus glänzendem Metall, die er nicht kannte. »Was sind denn das für Dinger?« fragte er und deutete auf die gedrungenen dickbäuchigen Apparate. »Sie sehen wie Miniatur-Staubsauger aus.«
Neidelman warf einen Blick in den Raum. »Das sind Fléchettes«, erklärte er.
»Wie bitte?«
»Eine Fléchette ist eine Nadelpistole, die kleine, mit Stabilisierungsflossen versehene Stifte aus Tungsten-Karbid-Draht verschießt.«
»Das klingt zwar schmerzhaft, aber nicht sehr gefährlich.«
»Bei fünftausend Schüssen pro Minute und einer Mündungsgeschwindigkeit von neunhundert Metern pro Sekunde können auch kleine Nadeln sehr gefährlich werden«, erwiderte Neidelman dünn lächelnd und schloß die Tür. »Dieser Raum dürfte nicht offenstehen. Ich muß Streeter darauf aufmerksam machen.«
»Wozu brauchen Sie diese Fléchettes eigentlich?« fragte Hatch mit einem Stirnrunzeln.
»Sie dürfen nicht vergessen, daß die ›Cerberus‹ nicht immer in so friedlichen Gewässern wie diesen hier unterwegs ist«, antwortete der Kapitän und geleitete ihn weiter den Korridor entlang. »Wir arbeiten zum Beispiel des öfteren in stark haiverseuchten Gebieten. Und wenn man sich erst einmal einem großen weißen Hai Aug' in Aug' gegenübersieht, dann weiß man so eine Fléchette wirklich sehr zu schätzen. Letztes Jahr im Korallenmeer hat einer meiner Mitarbeiter damit eines von den Biestern in eineinhalb Sekunden vom Kopf bis zur Schwanzflosse zerfetzt.«
Hatch folgte dem Kapitän ein paar Stufen hinauf zum nächsten Deck. Hier blieb Neidelman vor einer Tür ohne Aufschrift stehen und klopfte nach kurzem Zögern an.
»Ich habe zu tun!« antwortete eine gereizte Stimme.
Neidelman lächelte Hatch wissend zu und öffnete die Tür, die in eine große, schwach erleuchtete Kabine führte. Als Hatch dem Kapitän in den Raum folgte, wäre er fast über einen am Boden liegenden Gegenstand gestolpert. Er blieb einen Moment stehen und wartete blinzelnd, bis sich seine Augen an das trübe Licht gewöhnt hatten. Dann sah er, daß an der Rückwand der Kabine und vor den Bullaugen Metallregale mit allen möglichen elektronischen Geräten standen. Neben Computern und Oszilloskopen gab es eine Menge Apparate, deren Verwendungszweck Hatch vollkommen schleierhaft war. Der Boden war knöcheltief mit zusammengeknüllten Papieren, zerdrückten Cola-Dosen, leeren Verpackungen von Schokoriegeln sowie mit schmutzigen Socken und Unterhosen übersät. Aus einer Koje am Ende des Raumes hing zerwühlte Bettwäsche bis auf den Boden herunter. Ein Geruch nach Ozon und heißgelaufener Elektronik erfüllte die Kabine, die lediglich von mehreren flackernden Bildschirmen beleuchtet wurde.
Mitten in all dem Chaos hockte Kerry Wopner der ungepflegte Mann in geblümtem Hemd und
Weitere Kostenlose Bücher