Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
außerordentlich ungewiss, als er sich sehr schlecht vorhersagen lässt. Das spricht für eine einfache Methode wie 1/N. Zweitens, je mehr Alternativen, desto stärker sollten wir vereinfachen; je weniger, desto komplexer darf es sein. Der Grund liegt darin, dass komplexe Methoden Risikofaktoren schätzen müssen, und eine größere Zahl von Alternativen bedeutet, dass mehr Faktoren geschätzt werden müssen, was zu mehr Schätzfehlern führt. Im Gegensatz dazu wird 1/N nicht durch mehr Alternativen beeinträchtigt, denn es verlangt keine Schätzungen anhand früherer Daten. Schließlich gilt: Je mehr Daten vorhanden sind, desto besser für die komplexen Methoden. Daher lohnen sich die Markowitz-Berechnungen – wie oben erwähnt – erst dann, wenn 500 Jahre lang Börsendaten vorliegen. Die verschiedenen Faktoren beeinflussen sich: Wenn es nur 25 statt 50 Alternativen gibt, sind nur rund 250 Jahre Börsendaten erforderlich. Auf diese Weise lässt sich ein Verständnis dafür entwickeln, wann weniger mehr ist und wie sehr wir vereinfachen müssen.
All dies hilft uns, eine allgemeine Gesetzmäßigkeit zu verstehen – das Bias-Varianz-Problem, wie die Statistiker sagen. Wenn wir eine bestimmte Methode verwenden, um eine Vorhersage zu treffen, nennen wir den Unterschied zwischen der Vorhersage und dem tatsächlichen Ergebnis (das wir vorher nicht kennen können) »Bias«. In einer ungewissen Welt ist das Bias unvermeidlich (es sei denn, uns hilft ein glücklicher Zufall). Doch es gibt noch eine zweite Fehlerart, die sogenannte »Varianz«. Im Gegensatz zu 1/N sagen komplexe Methoden anhand früherer Beobachtungen die Zukunft voraus. Die Prognosen hängen von der spezifischen Stichprobe der zugrunde gelegten Beobachtungen ab und können daher instabil sein. Diese Instabilität (die Variabilität um ihren Mittelwert) heißt Varianz. Je komplexer also die Methode, desto mehr Faktoren müssen geschätzt werden, und desto größer wird der varianzbedingte Fehler. 1/N liefert immer die gleiche stabile Empfehlung, denn die Methode benötigt keine Investmentdaten aus der Vergangenheit. Aus diesem Grund wird sie nicht durch Varianz beeinträchtigt. Wenn die Datenmenge sehr groß ist – etwa 500 Jahre umfasst –, wird die Instabilität so weit reduziert, dass sich die Komplexität schließlich auszahlt.
Jetzt sollte klar sein, wann und warum komplexe Methoden zu schlechteren Vorhersagen führen: wenn sie unter zu großer Instabilität (»Varianz«) leiden, das heißt unter den Bedingungen, die auf der linken Seite des obigen Doppelpfeils aufgelistet sind. Einsteins Regel ist eine allgemeine Formulierung der Tatsache, dass in einer ungewissen Welt weniger mehr sein kann.
Schon mal üben, reich zu sein
Wenden wir uns nun dem schönen Österreich zu. In den goldenen Zeiten allgemeinen Wohlstands, als die Sozialsysteme sich um jeden kümmerten, ganz gleich, ob er arm oder reich war, brauchten sich die Österreicher keine Sorgen um ihre Alterssicherung zu machen. 2003, als die Zukunft nicht mehr ganz so rosig aussah, wurden die Österreicher ermuntert, sich an steuerlich begünstigten privaten Vorsorgemodellen zu beteiligen. Von Wien bis Salzburg begannen die Banken diese Pensionspläne zu bewerben. Ende 2004 hatten bereits 410000 Österreicher (von rund acht Millionen Einwohnern) einen solchen Pensionsplan gezeichnet. Nach dem Beitritt zahlen die Teilnehmer bis zum Ruhestand einen Monats- oder Jahresbeitrag. Die Bank zahlt einen veränderlichen Zinssatz und der Staat eine Prämie. Die Logik ist makellos. Es wird kein Gewinn garantiert, sondern nur, dass jeder zum Zeitpunkt seines Ruhestands mindestens das zurückbekommt, was er eingezahlt hat – plus Prämie, ohne Inflationskorrektur.
Allerdings verschwendeten die Banken ihre Werbeetats nicht für die Verbreitung dieser harten Fakten. Stattdessen appellierten die Kampagnen an das Wunschdenken: Üben Sie schon mal, reich zu sein! Landesweit verkündeten Plakatwände in Riesenlettern »9 %«. In einer Zeit niedriger Zinssätze sind 9 Prozent spektakulär, nicht nur in Österreich. Was für ein großzügiges Sozialsystem, in dem Banken und Staat gemeinsam zum Wohlstand der Bürger beitragen! Doch die 9 Prozent sind kein Zinssatz, sondern eine Prämie. Die Prämie wird einmal jährlich auf den im jeweiligen Jahr in den Pensionsplan eingezahlten Beitrag ausgeschüttet. Beispielsweise erhält jemand, der jährlich 1000 Euro einzahlt, 90 Euro pro Jahr. Was die Bank beiträgt,
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