Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
Handelns belächelt. Statt ihrer intuitiven Erfahrung zu vertrauen, bauen immer mehr Trader auf Computerprogramme, zählen Fußballtrainer die Ballkontakte ihrer Spieler, stellen Ärzte Maschinen zwischen sich und ihre Patienten. Wie sind wir an diesen Punkt gelangt? Das grundlegende Missverständnis ist die Überzeugung, dass sich alle Probleme durch Logik oder Berechnung lösen ließen – dass wir in einer Welt des Risikos und nicht der Ungewissheit leben würden.
Die Verleumdung der Intuition vollzog sich in zwei Akten.
Akt I: Weibliche Intuition ist verdächtig
Seit der Aufklärung erhält die Vernunft den Vorzug vor der Intuition, und schon lange davor galt der Mann mehr als die Frau. Der erste Akt bestand darin, die beiden Unterprivilegierten – Intuition und Frauen – miteinander zu verheiraten und sie vom männlichen Genie und Verstand zu unterscheiden. In den folgenden Jahrhunderten besorgten die Männer ihr Geschäft mit Logik und Verstand. Die Intuition war so verdächtig und unzuverlässig wie weibliche Emotionen. Selbst einige der klügsten Köpfe hatten keine Zweifel daran. Charles Darwin beispielsweise stellte die männliche Energie und Genialität der weiblichen Mitleidsfähigkeit und Intuition gegenüber. Im 19. Jahrhundert war es üblich, die Intuition der Frauen mit derjenigen der »niederen Rassen« zu vergleichen, und Darwin bildete da keine Ausnahme. 115
Akt II: Jedermanns Intuition ist verdächtig
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kamen die Psychologen zwar den Frauen endlich zu Hilfe, ließen aber die Intuition im Stich. Mit wahrhaft geschlechteregalitärem Ethos vertraten einige Psychologen die Auffassung, dass die Intuition sowohl der Männer als auch der Frauen zu irrationalen Handlungen führe. Verschiedene Experten, einschließlich Nobelpreisträgern in Wirtschaftswissenschaften, stellten das logische Denken als rational der Intuition als fehlerträchtig gegenüber. In Hunderten von Studien wurden Versuchspersonen aufgefordert, knifflige logische Probleme zu lösen, und wenn ihre Intuition von der Logik abwich, wurde dies als Beweis gewertet, dass die menschliche Intuition mangelhaft ist. Intuitive Urteile verglich man mit optischen Täuschungen, was den Eindruck erweckte, intuitiv begangene Fehler seien so unveränderlich und unzugänglich für Verbesserungen wie die »Fehler« unseres Sehsystems. Einige Psychologen unterteilten unser Denken entsprechend in ein fehlerhaftes intuitives System und ein rationales logisches System.
»System 1« ist der vermeintliche Sitz der Intuition, eine evolutionär alte Struktur, die mit Heuristiken arbeitet und daher der Ursprung unserer Fehler sei – so jedenfalls die Behauptung. Interessanterweise blieben die Merkmale, die in der Vergangenheit dem »schwachen Geschlecht« zugeschrieben wurden, auch weiterhin mit der Intuition verknüpft. Das intuitive, undisziplinierte, emotionale Gehirn der Frau wurde ersetzt durch »System 1« mit ähnlichen Eigenschaften. Beispielsweise zitierte der Psychologe Daniel Kahneman den Komiker Danny Kaye, der von Frauen sprach, die er nicht mochte: »Sie ist am liebsten außer sich und mag es, voreilige Schlüsse zu ziehen.« Was Kahneman wie folgt erklärt: »Ich glaube heute, dass er [der Spruch] eine passende Beschreibung der Funktionen von System 1 liefert.« 116 Er hat wenig Vertrauen zur Intuition: »Wie ich aus Erfahrung weiß, lässt sich System 1 nicht leicht erziehen.«
»System 2« dagegen ist das logische, rationale, bewusste Selbst, das anscheinend keine Fehler macht, aber manchmal langsam und nachlässig ist und vergisst, ein wachsames Auge auf »System 1« zu haben. Die Evolution scheint Intuition und Fehler eng zusammengeschweißt zu haben, sodass wir wohl kaum hoffen dürfen, Risiken je verstehen zu lernen.
Ich halte diese Geschichte der Intuition als schwer erziehbarer Fehlerquelle für irreführend – sowohl bei intuitiven Urteilen über bekannte als auch bei solchen über unbekannte Risiken. Die Intuitionen von Menschen über bekannte Risiken sind in der Tat oft falsch, wie wir am Beispiel der Antibabypillen-Panik (Kapitel 1) gesehen haben. Doch solche Fehler könnten leicht behoben werden, wenn wir etwa der breiten Öffentlichkeit den Unterschied zwischen relativen und absoluten Risiken erklärten. Durch transparente Risikokommunikation kann man viele der angeblich resistenten »Fehler« schnell beseitigen. 117 Wie wir sehen werden, kann man selbst Viertklässlern beibringen,
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