Risikofaktor Vitaminmangel
Mikronährstoffe fehlen, wird der Stoffwechsel verlangsamt. Sie werden gereizt, übellaunig und Ihre Leistung fällt ab. Mit Mikronährstoffen können Sie Ihr Nervenkostüm und Ihre Leistungsfähigkeit entscheidend beeinflussen.
Interview
Prof. Klaus Pietrzik, Professor am Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Bonn, ist ein international anerkannter Experte im Bereich der B-Vitamine und der Prävention. Über 300 wissenschaftliche Publikationen machen ihn zu einem der ganz herausragenden Experten.
Andreas Jopp: Was ist Schwerpunkt Ihrer Forschung? Was macht Vitamine so spannend?
Prof. Pietrzik: Ich arbeite seit 30 Jahren am Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Bonn. Der Schwerpunkt meiner Forschung sind Mikronährstoffe – speziell die B-Vitamine. Das Spannende an Vitaminen ist, dass man auch nach deren Entdeckung zu Beginn des letzten Jahrhunderts immer wieder neue Wirkungen entdeckt. Früher ging es darum, Mangelsymptome zu verhindern. Heute geht es darum, präventive, das heißt vorbeugende Wirkungen auszuschöpfen, die mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch mit Alzheimer- und Demenzerkrankungen verbunden sind.
Werden die Ergebnisse aus der Forschung der Ernährungswissenschaft zu Übergewicht, Blutdruck oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen ihrer Bedeutung entsprechend in der ärztlichen Praxis berücksichtigt?
Bei der Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis vergehen üblicherweise 10 Jahre. Dazu müssen Sie wissen, dass Forschung zuerst einmal zu Lehrbuchwissen werden muss. Nehmen Sie das Beispiel Homocystein. Ich forsche auf diesem Gebiet schon seit 15 Jahren, und erst die neueren Lehrbücher für Innere Medizin berücksichtigen überhaupt das Homocystein, gerade einmal auf einer halben Seite.
Und wie steht es um die Ernährungsausbildung der Ärzte?
Bedauerlicherweise wird im ärztlichen Studium in Deutschland zu wenig Wert auf die Grundlagen der Ernährung gelegt. Selbstredend werden Vitamine in ihrer Funktion im Rahmen des Grundstudiums behandelt. Aber in der weiteren Ausbildung treten diese wichtigen Mikronährstoffe nicht mehr in Erscheinung. Die meisten praktischen Ärzte wissen gar nicht so ganz genau wie einzelne Vitamine arbeiten und wofür Sie gut sind. Die neueren Nährstoffstudien sind den meisten Ärzten überhaupt nicht bekannt. Man trifft da meist auf ein recht allgemeines Wissen, etwa dass man genügend Vitamine über die Nahrung zuführen sollte. DenHintergrund sollte der Patient wissen, wenn er mit seinem Arzt über Vitamine spricht und eine abweisende Haltung vorfindet.
Inwieweit sind wir unterversorgt mit Folat?
Unsere gesamte Bevölkerung ist nicht optimal mit Folat versorgt. Über die Hälfte der Bevölkerung liegt sogar 75% unter der gewünschten Zufuhr. Das liegt einfach daran, dass wir nicht 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag verzehren; das tut praktisch niemand.
Folat ist nun mal bevorzugt in Obst und Gemüse enthalten. Es wurde 1940 aus Blattspinat isoliert. »Folium« – lateinisch »das Blatt« hat dem Vitamin seinen Namen gegeben.
Insgesamt decken 90% der Bevölkerung die Minimum-Folatzufuhr nicht. Ist der Anspruch der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die Bevölkerung umzuerziehen, nicht sehr unrealistisch?
Das ist völlig richtig. Denn die Folate in Lebensmitteln sind sehr empfindlich. Beim Kochen und Lagern werden die Folate zerstört. Das ist anders mit der synthetischen Folsäure, die absolut stabil ist. Auch, wenn damit Nahrungsmittel angereichert werden, wird die Folsäure durch die Nahrungszubereitung oder beim Backen nicht zerstört.
Zwar ist es nicht von der Natur vorgesehen, dass wir in ein Nährstoffdefizit gelangen und die Natur hat es auch nicht darauf angelegt, dass wir in Apotheken gehen müssen. Auf der anderen Seite gibt es Lebensmittel, die zwar folatreich sind, die wir aber aus anderen Gründen nicht mehr essen. So ist etwa Leber das folatreichste Lebensmittel, aber aufgrund von Schadstoffbelastungen und hohem Vitamin-A-Gehalt wurde vom regelmäßigen Verzehr von Leber abgeraten.
Selbst die DGE gibt zu, dass es Frauen »kaum möglich ist, den Mehrbedarf an Folat über die normale Ernährung zu decken« 119 . Auch bei Kindern schafft man es ohne Anreicherung nicht mehr. Sollten Frauen zwischen 14–45 Jahren Folsäure zusätzlich einnehmen?
Man kommt nicht umhin, bei einer derartigen Mangelsituation über Folsäureanreicherung ernsthaft nachzudenken. Das wird
Weitere Kostenlose Bücher